Zur Geschichte der Kronenformierung von Obstbäumen

Naturkronen ohne Schnittmaßnahmen im Mittelalter

Hinweise auf den Obstbau reichen bis in das Altertum zurück. Wir können davon ausgehen, dass zu damaligen Zeiten Schnittmaßnahmen an Obstbäumen bekannt waren, überliefert sind sie allerdings nicht. Im Mittelalter wird weder das Veredeln von Obstbäumen noch der Schnitt erwähnt. Ostbaumkronen ohne Schnittmaßnahmen wachsen als Naturkronen heran, mit mehreren Leitastetagen, wobei sich durch Beschattung der unteren, inneren Astpartien der Fruchtertrag immer weiter oben und außen am Baum ansiedelt.

Naturkrone ohne Schnittmaßnahmen: starke Äste im oberen Bereich beschatten die unteren Leitäste, diese verkahlen mehr und mehr.

17. - 19. Jahrhundert: die historischen Kunst- und Spalierformen

Im 17. Jahrhundert kam der der Spalier- und Kunstkronenobstbau mit mehr oder weniger komplizierten Schnittmaßnahmen in Mode. Dies diente mehr der Repräsentation als der Erzeugung von Ernteerträgen:

  • DE LA BARAUDIERE erwähnte im Jahre 1638 Stein- und Kernobstspaliere, die als Fächerspalier erzogen wurden.
  • 1655 wird durch VAUTIER zum ersten Mal mit der Beschreibung einer Hohlkrone eine dreidimensionale Kunstform für freistehende Obstbäume erwähnt.
  • 1745 beschreibt COMBLE zum ersten Mal eine Hohlkrone als zweidimensionales Spalier.
  • 1773 erfindet PELLETIER immer neue Formen, die geometrischen Figuren entsprechen.
  • 1843, 1856 und 1862 Beschreiben MALLOT, LEPERE und GRESSENT noch weitere bizarre Kronengerüste und geben Hinweise für ihre Erziehung.
    1887 empfiehlt LUCAS die Kugelkrone als Pyramiden-Hohlform.

Um 1770 erreichte nach KEMMER der Kunstkronenbau seinen Höhepunkt.

20. Jahrhundert: Bemühungen um vereinfachte Schnitttechniken

Ab 1890 gab es dann Bestrebungen, die doch sehr aufwendigen Schnittarbeiten, die im Spalier-/Kunstkronenbau vorherrschten, wesentlich zu vereinfachen. Diese Bestrebungen begannen vor allem bei den Hochstämmen.

"Der Kunstkronenbau mit seinem klassischen Fruchtholzschnitt musste scheitern in dem Augenblick, als der Obstbau in die Hand von Anbauern gelangte, die sich damit nach ausländischem Muster eine Erwerbsquelle schaffen wollten. Diese Anbauer erblickten im Obstbau keine Liebhaberei mehr. Sie hatten weder Zeit noch Lust, langwierige Schnittkunststücke zu erlernen und anzuwenden, die zudem noch den Nachteil der Unwirtschaftlichkeit aufwiesen; deshalb lehnten sie den Kunstkronenbau ab.“ Groh, Wilhelm, „Leitfaden für den Obstbaumschnitt“, S. 62

Allerdings verfiel man dann häufig ins gegenteilige Extrem, und die Obstbäume wurden vernachlässigt und überhaupt nicht geschnitten.  Dadurch entwickelten sich - wie auf dem oberen Foto zu erkennen - schirmartige Naturkronen mit Verschattungen in den unteren Bereichen der Bäume, und die Fruchtproduktion verlagerte sich wieder zunehmend in die Höhe.

Die Oeschbergkrone

Hans Spreng entwickelte dann ab 1930 aus seinen Erkenntnissen über die Umstellung vernachlässigter Altbäume heraus die Technik der Kronenformierung nach Oeschberg. Der so genannte „Oeschbergschnitt“ ist eine Methode, um Obstbäume so zu schneiden, dass die oben genannten Nachteile nicht auftreten. Die daraus entstehenden Kronen gelten seitdem als optimal für Obstbäume auf stark wachsenden Unterlagen, die auf Streuobstwiesen wachsen, können aber auch bei mittelstarken Unterlagen eingesetzt werden.

Kleine Kronenformen

Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden im Zuge der Intensivierung des gewerblichen Obstbaus auch Kronenformen für kleinere Baumformen (Buschbaum, Spindel etc.) auf schwach wachsenden Unterlagen entwickelt. Diese erlauben einen wesentlich höhere Erträge.