Wermelskirchen 

Rolf Meyer hat sein Herz für alte Apfelsorten entdeckt: Inzwischen pflegt er acht Hektar Streuobstwiesen im Bergischen Land – auch in Sellscheid und Eipringhausen. Im Gepäck hat er viel Geduld.

Sein Auto rumpelt über den Forstweg. Es hat viel geregnet und Rolf Meyer steuert das Fahrzeug vorsichtig über den nassen Boden. Als er schließlich anhält, erstrecken sich vor ihm am Waldesrand zwei weite Wiesen. Fast unsichtbar stiehlt sich ein leises Lächeln auf sein Gesicht. „Es sind etwa 180 Bäume“, sagt er dann und deutet auf die Wiesen. Mit einem großen Holztor hat Rolf Meyer die Flächen geschützt. Jetzt öffnet er das Schloss und spaziert vorsichtig über den nassen Boden.

Als er auf „Prinz Albrecht von Preußen“ trifft, bleibt er stehen. „Eine schöne alte Sorte“, sagt er und fasst nach den dünnen Ästchen, die irgendwann einmal rote Herbstäpfel tragen sollen. „Dafür brauche ich allerdings noch ein bisschen Geduld“, ergänzt Meyer. Acht bis zehn Jahre brauche ein Apfelbaum, bevor er Früchte trage. „Bis dahin helfen wir ihm, gesund zu wachsen“, erklärt Meyer. Und das bedeutet auch: Die ersten zarten Knospen des jungen Bäumchens müssen entfernt werden. „Der Ast würde abknicken, wenn er jetzt schon einen Apfel tragen müsste“, erklärt Meyer. Dank der Pflege, des richtigen Schnitts und einer guten Erziehung der Krone würden die Apfelbäume heute 100 Jahre alt werden: „Würden wir sie einfach wachsen lassen, würden sie nach 40 oder 50 Jahren kaputt gehen und keine Äpfel mehr tragen“, erklärt er.

Als Rolf Meyer zum ersten Mal auf einer Streuobstwiese stand, da hatte er wenig Ahnung von Apfelbäumen, Früchten und Ernte. „Ich wollte früher Förster werden, hatte schon immer eine große Liebe zur Natur“, sagt Meyer. Aber von Streuobstwiesen hatte er keinen Schimmer. Erst als er einen Baum fällte und ihm eine Ausgleichspflanzung auferlegt wurde, entdeckte er die alten Sorten für sich. „Ich habe dann viel gelesen“, erzählt der Remscheider. So begegnete er zum ersten Mal „Prinz Albrecht von Preußen“, „Kardinal Bea“ und dem „Heuchelheimer Schneeapfel“. Er verstand: Diese alten Sorten würden aussterben, wenn der Mensch ihnen nicht eine neue Chance geben würde. Dem Verlust, den die heimische Kulturlandschaft damit erleben würde, wollte Rolf Meyer entgegensteuern. Und er machte Ernst: Beim Pomologenverein in Kassel absolvierte er eine zweijährige Ausbildung zum Obstgehölzpfleger und kaufte die erste Pferdewiese auf, um auf ihr alte Sorten zu pflanzen.

Der Bergische Streuobstwiesenverein e.V.
Der Bergische Streuobstwiesenverein hat sich die Förderung des Landschafts- und Naturschutzes auf die Fahnen geschrieben Verein und kümmert sich um heimische Wiesen. Er plant neue Streuobstwiesen und kümmert sich um Erhalt, Pflege und Schnitt vorhandener Bäume. Er bietet auch Streuobstwiesenbesitzern Beratung und Unterstützung an.

Öffentlichkeit Gleichzeitig geht es dem Verein um den Austausch unter Streuobstwiesen-Freunden und um die Schulung und Beratung in diesen Themen – mit Hilfe von naturkundlichen Fortbildungsveranstaltungen und Führungen. Auf der Internetseite informieren die Ehrenamtlichen über Obstsorten.

Der Verein ist im Bergischen Städtedreieck, dem Kreis Mettmann, dem Rheinisch-Bergischen und dem Oberbergischen Kreis aktiv.

Wiesen

Inzwischen hat Rolf Meyer einige dieser wertvollen, grünen Oasen im Bergischen Land gefunden – und aufgekauft. Er pflegt inzwischen acht Hektar Streuobstwiesen. Einen Hektar davon in Sellscheid. Hier finden sich heute Bäume verschiedener Generationen – stärkere Äste, die schon Früchte tragen können, aber auch viele ganz junge Bäume. „Insgesamt reden wir hier von ungefähr 30 verschiedenen Sorten“, sagt Meyer. Jede Sorte braucht eine andere Pflege, jedes Bäumchen hat eigene Ansprüche. Eines haben sie aber alle gemeinsam: „Sie geben einem eine Rückmeldung, ob man sie richtig pflegt“, sagt Rolf Meyer. Er hat in den vergangenen Jahren viel Demut gegenüber der Natur und den Apfelbäumen gelernt.

Mittlerweile ist Rolf Meyer auch dem Bergischen Streuobstwiesenverein beigetreten. „In dem Verein ist unheimlich viel Wissen versammelt“, sagt Meyer. Die Mitglieder tauschen sich aus und geben ihr Wissen weiter – mithilfe von Workshops und Führungen auf den Wiesen, einem Blog oder der Internetseite. Mehr als zwei Millionen Aufrufe hat die Seite seit ihrem Start 2017 gezählt. „Das Interesse an Streuobstwiesen und alten Sorten ist groß“, hat Rolf Meyer festgestellt. Das gelte auch für die Wermelskirchener: Immer mal wieder würden sich Spaziergänger oder Wiesennachbarn bei ihm melden, Tipps für ihre eigene Bäume erfragen oder auch ihre Unterstützung anbieten. Mancherorts beteiligen sich Vereine oder Initiativen an der Ernte oder Vermarktung der Früchte. Rolf Meyer hat seine Äpfel im vergangenen Jahr größtenteils an die Tafel verschenkt. „Der Verkauf lohnt sich erst ab einer bestimmten Menge“, weiß er. Allerdings hat er einige Kanister Apfelsaft im Keller stehen, von denen er fast ein ganzes Jahr zehrt. „Alte Sorten sind einfach lecker“, sagt er und erzählt von der mobilen Apfelsaftpresse, die im Herbst durch das Bergische Land fährt. „Dort werden auch meine Äpfel in Saft verwandelt“, erzählt Meyer.

Inzwischen hat er das Auto auf dem Forstweg gedreht und macht sich im Nieselregen langsam auf den Heimweg. „Sie müssten die Wiese mal im Frühling und im Sommer sehen“, sagt er noch und beginnt ein bisschen zu schwärmen. Die Bäume und Blüten würden so vielen Tieren Nahrung schenken. In einem ruhigen Moment begegne er zwischen den Bäumen Hornissen und Bienen, unzähligen Insekten, Vögeln und gelegentlich auch Wieseln. „So eine Wiese hat für so viele Lebewesen einen Nutzen“, stellt Rolf Meyer fest. Und dann grinst er ein bisschen verschmitzt: „Mal abgesehen, von dem Naturschutz, der mir wichtig ist: Die Wiesen halten mich auch fit.“