Liebe Obst-Interessierte,

auf 2 großen Veranstaltungen geht es in den nächsten Tagen “rund um den Apfel” – inklusive Sortenbestimmung unbekannter Apfel- und Birnensorten:

Nach ein paar Jahren Pause findet am 3. Oktober (11-17 Uhr) wieder der Bielefelder Apfeltag statt, auf dem Landschaftspflegehof Ramsbrockshof in Bielefeld-Ummeln (Ummelner Straße, zwischen Ummeln und Friedrichsdorf). Veranstalter ist das ‘Klima- und Umweltbildungszentrum’ (wie der Ramsbrockshof in neudeutscher Sprechart heißt) in Kooperation mit der Biologischen Station Paderborn-Senne und der Stadt Bielefeld. Das genaue Programm – inklusive Infos zum Bus-Shuttle für alle, die mit ÖPNV kommen möchten – kann hier heruntergeladen werden:
https://www.bielefeld.de/node/24940

Seitens des Obst-Arboretums Olderdissen sind wir beteiligt mit einem Obstverkaufsstand mit vielen traditionellen und allergikerverträglichen Apfel- und Birnensorten (gefühlt: > 30 Sorten) sowie einer großen Apfelsorten-Ausstellung.
Die Veranstaltung empfehlen wir auch all denjenigen, die ihre unbekannten Apfel- oder Birnensorten bestimmen lassen möchten. Dazu sollten pro Sorte jeweils 3-5 madenfreie und nicht zu kleine Früchte mitgebracht werden. (Kosten: 2,50 € pro Sorte).

Zu einem großen Stadtfest mutiert ist inzwischen der Apfel- und Birnenmarkt am 7. und 8. Oktober (11-17 Uhr) in Duderstadt. Der Landschaftspflegeverband Göttingen präsentiert dort wie in den letzten Jahren eine Obstausstellung alter Sorten und auch hier gibt’s die Möglichkeit, durch Hans-J. Bannier unbekannte Apfel- und Birnensorten bestimmen zu lassen. Die schöne Fachwerkstadt Duderstadt ist auch unabhängig vom Apfeltag einen Besuch wert!

In Ostwestfalen fällt im Streuobst die Apfelernte in diesem Jahr ja eher schmal aus. Dafür hängen die Birnbäume teils voll. Daher hier ein kleiner Beitrag zum Thema

Ernte- und Reife-ABC der Birnensorten

Birnen müssen grundsätzlich hartreif geerntet werden.

“Pflückreif” sind sie, wenn der Stiel beim Hochkippen der Frucht locker vom Zweig löst. Anschließend werden sie erst nach einer gewissen Lagerzeit (die je nach Sorte eine Woche oder auch 3 Monate betragen kann!) schmelzend weich und saftig. Wann sie dann ihre Genussreife erreichen, erkennt man entweder daran, dass sie weicher werden oder auch am Aufhellen ihrer Farbe (z.B. von grün auf gelb oder – bei den “grauen” Sorten – von graubraun/graugrün auf hell bronzefarben). Lässt man die Früchte zu lange am Baum hängen (bis ihre grüne Fruchtfarbe am Baum auf gelb umschlägt und sie “reif” aussehen), sind sie – bei den meisten Sorten – saftarm, mehlig und ungenießbar.

Im hartreifen (“pflückreifen”) Zustand schmecken die meisten Birnen noch roh, trocken und wenig aromatisch. Nur bei den wenigsten Sorten sind die Früchte auch hartreif bereits ausreichend aromatisch und wohlschmeckend zum Frischverzehr (z.B. bei ‘Bosc’s Flaschenbirne’, ‘Herrenhäuser Winterchristenbirne’ oder der Sorte ‘Tongern’), so dass sie je nach persönlicher Vorliebe hartreif oder schmelzend saftig genossen werden können.

Dass dieses “Landwissen” bezüglich der Birnenernte heute teils nicht mehr präsent ist, erlebe ich bei den ein oder anderen städtischen Gartenbesitzern, die ihre Birnbäume fällen wollen, weil doch die Früchte nicht schmecken würden. Gerade die ganz späten Winterbirnen (wie z.B. die Sorte ‘Madame Verte’ mit ihren oft kleinen und graubraunen Früchten, die erst irgendwann im Dezember weich und schmackhaft werden!) laufen Gefahr, dieses Schicksal zu erleiden!

Grobe Schale bei einiger Lagerbirnen-Sorten

Bestimmte Sorten können (nach Lagerung) zwar hoch aromatisch, schmelzend und saftig schmecken, haben jedoch eine grobe und etwas störende Schale (wie z.B. ‘Vereinsdechant’) – solche Sorten hat man früher in der Regel vor dem Verzehr geschält! Vom heutigen Lebensmittelhandel werden solche Sorten heute nicht mehr favorisiert, da man den Kunden im Selbstbedienungs-Warenhaus solch komplexe Verzehrgewohnheiten nicht mehr zumuten möchte.

Auch im Obst-Arboretum Olderdissen verkaufen wir im Hofladen manche Birnensorten (wie z.B. aktuell die ‘Köstliche von Charneux’ oder die ‘Conference’) auch schon im hartreifen Zustand. Je nachdem, bei welcher Temperatur sie anschließend gelagert werden (im warmen Zimmer oder im Kühlschrank), erfolgt die Nachreife (d.h. das Umfärben und Weichwerden der Frucht) dann schneller oder langsamer. Etwas “zu früh” geerntete Früchte brauchen in der Regel ein bißchen länger zum Nachreifen als die Früchte, die eher etwas spät vom Baum genommen wurden. Durch eine folgernde Ernte – d.h. ein mehrmaliges Durchpflücken – lässt sich jedoch die Genusszeitraum der Früchte eines Birnbaums deutlich verlängern. (Dasselbe gilt im Übrigen auch bei Äpfeln).

Birnen zur Saftherstellung

Sollen Birnen zur Saftbereitung verarbeitet werden, müssen sie ebenfalls bei Pflückreife, d.h. hartreif, geerntet bzw. geschüttelt werden. Gelb und weich gewordene Früchte liefern nicht nur weniger Saft, sondern können auch (bei zu großer Menge) die Presstücher in der Mosterei ‘verstopfen’.

Einige bekannte alte Birnensorten

Köstliche von Charneux

Die häufigste Birnensorte im Streuobst ist in Norddeutschland die Köstliche von Charneux. Die Sorte zählt zu den relativ robusten Birnensorten, einst vielfach an Feldwegen und Landstraßen gepflanzt, u.a. auch wegen ihres meist schlank und pappelartig hochgehenden Wuchses. Bei freier und gut durchlüfteter Lage sind ihre Früchte i.d.R. schorffrei, während in eingeschlossenen oder Waldrandlagen auch kräftig Schorf auftreten kann. Pflückreif Mitte bis Ende September (je nach Lage und Jahresverlauf), müssen die Früchte ca. 1-3 Wochen nachreifen und sind dann meist bis ca. Ende Oktober genussreif (süß-würzig).

Doppelte Philippsbirne

Eine robuste und empfehlenswerte Streuobstsorte – heute nicht mehr häufig vorkommend – ist auch die Doppelte Philippsbirne. Der Baum ist starkwüchsig und kann ebenfalls sehr in die Höhe gehen. Die etwas klobigen Früchte sind bereits Anfang bis Mitte September pflückreif und reifen dann innerhalb weniger Tage nach und müssen schnell verbraucht werden. Anders als bei den meisten anderen Birnensorten sind die Früchte neben ihrer Süße deutlich säurebetont und deshalb auch gut zur Verarbeitung (zu Kompott oder Saft) geeignet.

Gellerts Butterbirne

Ebenfalls eine reine Septemberbirne ist die Gellerts Butterbirne, die noch regelmäßig in Streuobstwiesen vorkommt, gelegentlich auch in Pflanzungen an Feldwegen, und die auch heute noch zum Angebotssortiment von Baumschulen gehört. Pflückreif sind die großen, etwas klobig und grau-braun-grün aussehenden Früchte ca. Mitte September (+/-) und reifen dann (ähnlich wie bei der Doppelten Philippsbirne) relativ schnell nach und sind dann sehr saftig und aromatisch. Bis Anfang Oktober müssen sie i.d.R. verbraucht sein. Bei Neupflanzungen ist jedoch Zurückhaltung geboten, denn die Sorte ist deutlich anfällig für Obstbaumkrebs und andere Rindennekrosen. Vor diesem Hintergrund erscheint es auch problematisch, dass die Gellerts Butterbirne von Baumschulen i.d.R. als Zwischenveredlung verwendet wird, wenn Birnen auf Quittenunterlage veredelt werden, um schwächer wachsende kleinere Birnbäume bzw. -büsche zu haben. Da die Gellerts Butterbirne sich gut mit der Quittenunterlage verträgt, hat sich sich in der obstbaulichen Lehre der letzten Jahrzehnte als Stammbildner etabliert – womöglich unter der Prämisse, dass im Obstbau ohnehin immer Fungizide gespritzt werden und Obstbaumkrebs deshalb nicht so stark auftrat. Hier sind dringend andere – gesündere – Birnensorten als quittenverträgliche Stammbildner zu testen! (Die Bio-Baumschule Pflanzlust verwendet z.B. eine in Hessen gefundene ‘Truselbirne’, die weitaus gesündere Stämme bildet).

Griesbirne (Dycker Schmalzbirne)

Birne ist im Großraum Bielefeld unter dem Namen ‘Griesbirne’ früher häufig auf den Obstwiesen zu finden gewesen, ist heute allerdings sehr selten geworden. In den 1930er Jahren ist die Birne im Rheinland unter dem Namen Dycker Schmalzbirne beschrieben worden und hat sich auch dort stark verbeitet. Die Sorte dürfte jedoch weit älter sein und ist vermutlich aus Frankreich im 18. oder 19.Jahrhundert nach Deutschland gekommen.
Die dicken und braun-graugrünen (in der Reife auffallend bronzefarbenen) Früchte dieser Sorte sind Mitte bis Ende September pflückreif und reifen anschließend relativ schnell nach, sind daher nur bis Anfang (höchstens Mitte) Oktober verwendbar. Die Früchte schmecken eigentümlich würzig und zum Frischverzehr nicht bei allen beliebt, sind jedoch eine gute Einkochbirne. Die Sorte ist weitgehend resistent gegen Birnenschorf, aber leicht anfällig für Rindenkrankheiten. Bei alten Bäumen fällt auf, dass das Holz (anders als z.B. bei der ‘Charneux’) sehr brüchig wird. In Baumschulen ist die Sorte heute nicht mehr erhältlich.

Conference

Beliebt und verbreitet im Erwerbsanbau, aber auch in Hausgärten, ist heute die Birnensorte Conference mit ihren langgezogenen und mit grauem netzartigen Rost überzogenen Früchten. Die Bäume dieser Sorte wachsen deutlich schwächer als die der 3 vorgenannten Birnensorten. Die Sorte ist zwar relativ gering anfällig für Schorf, aber deutlich anfällig für Rindenkrankheiten und daher für Streuobst nur eingeschränkt empfehlenswert. Pflückreif ist die Sorte i.d.R. Ende September/Anfang Oktober, die Dauer der Lagerung hängt sehr stark von der Lagertemperatur ab (im Naturlager meist nur 3-6 Wochen). Die Früchte sind sehr aromatisch und können teils auch schon etwas hartreif gegessen werden.

Köstliche von Charneux und Conference haben wir zur Zeit noch im Hofladen im Angebot, während unsere kleinen Mengen der Doppelten Philipps und der Gellerts Butterbirne bereits verkauft sind. Später kommen noch Bosc’s Flaschenbirne, Vereinsdechant und Herrenhäuser Winterchristenbirne. Alle diese Birnen stammen von Altbäumen – unsere Neupflanzung mit 160 Birnensorten ist erst im 2. Standjahr (einige der Bäume auch erst im 1. Standjahr) und trägt noch keine Früchte. All denjenigen, die uns bei diesem Projekt mit ihrer Spende unterstützt haben, an dieser Stelle noch mal ein herzliches Dankeschön!!

Herzliche Grüße
Hans-Joachim Bannier

P.S. In der vergangenen Woche hatten wir Pressebesuch vom WDR – der Bericht in der ‘Lokalzeit’ am Donnerstag ist hier nachhörbar:
https://www.ardmediathek.de/video/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLXNvcGhvcmEtMzA0NmZjZjQtMWQzOS00MWM0LWIzNzMtZGE2YzhiOGFjNjg4
(ca. ab Minute 15:50)


Obst-Arboretum Olderdissen
Alte Obstsorten – Obstbaumschnitt – Obstsortenbestimmung
Dornberger Str. 197
33619 Bielefeld
Tel.0521-121635
Hofladen: Freitags 12-19 Uhr
Obsthaltestelle: Täglich 8-20 Uhr