von Hans Joachim Bannier:
Warum trägt mein Apfelbaum nicht?
Wir bekommen immer wieder Nachfragen von Apfelbaumbesitzern mit der Beschwerde, der vor einigen Jahren gepflanzte Apfelbaum trage nicht. Oft steht schon die Überlegung im Raum, den Baum wieder roden zu lassen, da er nicht trägt.
Bevor man zu diesem letzten Mittel greift, sollte man allerdings das ABC vom “richtigen” Baumalter sowie von Blüte und Befruchtung studieren:
1. Hochstämmige Obstbäume (auf starkwüchsigen Wurzeln veredelt) benötigen immer einige Jahre, bis sie richtig zu tragen beginnen. Je nach Sorte können das 5-10 Jahre sein, in denen der Baum erst einmal nur ‘Holz’ macht, d.h. seine Krone aufbaut, ohne viel zu blühen. Dafür können solche Bäume später 60-100 Jahre alt werden. Obstbüsche auf schwach wachsenden Wurzeln veredelt können dagegen früher mit dem Ertrag beginnen, werden allerdings auch nicht alt.
2. Durch falschen Schnitt (wenn alljährlich wie bei einem Haarschnitt sämtliche Triebe des Baumes “angeschnitten” werden) kann u.U. die Blühwilligkeit des Baumes noch weiter verzögert werden
3. Wenn der Baum in voller Blüte steht, aber dennoch keine Früchte ansetzt, kann das an “falschem” Wetter liegen (Nachtfröste, Dauerregen).
4. Auch dauerhaft niedrige Temperaturen unter 10° C während der Blüte können dazu führen, dass keine Bienen fliegen und die Bestäubung ausschließlich durch Hummeln oder andere Wildinsekten erfolgen kann. Sind diese nur wenig vorhanden (was in besonders “aufgeräumten” Gärten vorkommen kann), kann auch das die Ursache für eine nur sehr geringe Befruchtung sein. Hier sollte man Informationen einholen, was man alles zur Förderung von Hummeln, Mauerbienen und anderen Insekten tun kann.
5. Wenn das Wetter zur Blütezeit passend war und auch genügend Insekten unterwegs und dennoch setzt der Baum keine Früchte an, liegt es vermutlich am fehlenden Befruchter. Denn Apfelbäume, Birnbäume, Süßkirschen- und ein Teil der Pflaumensorten benötigen zu ihrer Befruchtung einen zweiten Baum mit einer anderen Sorte derselben Obstart im näheren Umkreis (Bienenflugradius). Bei Süßkirschen können auch Wildkirschen am Waldrand (oder Sauerkirschen) die Befruchtung besorgen, beim Apfel können es auch Zieräpfel sein.
6. Um zu testen, ob die fehlende Befruchtersorte die Ursache für den Nicht-Ertrag des eigenen Baumes ist, kann man hilfsweise einfach mal frisch aufgeblühte Zweige von anderen Obstbäumen schneiden (natürlich jeweils von der passenden Obstart) und diese in einem Wassereimer neben den eigenen Baum stellen oder in den Baum hängen. Meist hat man dann in der Nähe, wo der Eimer stand, mehr befruchtete Früchte als in entfernteren Zonen des Baumes.
7. Noch etwas komplizierter wird es durch die Tatsache, dass nicht alle Apfel- und Birnensorten gute Pollenspender und damit gute Befruchter sind. Nur rund 2/3 unserer Apfel- und Birnensorten sind gute Befruchter, der Rest ist als Befruchter ungeeignet. Das hat etwas damit zu tun, dass einige Apfelsorten einen zweifachen Chromosomensatz besitzen (“diploid”), andere einen dreifachen (“triploid”). Egal wieviele Apfel- oder Birnbäume man pflanzt, benötigt man daher immer mindestens einen Baum einer diploiden Sorte.
In vielen Publikationen oder Baumschulkatalogen werden gern bestimmte Apfelsorten (wie z.B. Cox Orange, Goldparmäne, Golden Delicious) als Befruchter empfohlen. Da diese Sorten aus Gründen mangelnder Baumgesundheit jedoch nicht unbedingt zu empfehlen sind, habe ich in der Broschüre ‘Alte Obstsorten – neu entdeckt für Westfalen und Lippe’ (Bezug: info@bshf.de) in der Liste der Apfel- und Birnensorten jeweils vermerkt, ob es sich um gute oder schlechte Pollenspender handelt.
8. Ob es sich bei den Apfel- oder Birnensorten in Ihrem Garten bzw. auf Ihrer Obstwiese um diploide oder triploide Sorten handelt (also um gute oder schlechte Befruchter), brauchen Sie jedoch gottseidank gar keine Bücher. Hier reicht eine Handvoll Früchte, die Sie aufschneiden müssen, um die Samen zu begutachten: Finden sich in der Frucht ausschließlich “volle” Samen (und alle Samen sind von gleicher Form, Größe und Farbe), handelt es sich um eine diploide Sorte. Ist dagegen ein Teil der Samen taub (d.h. die Samenhülle leer, sie lässt sich platt drücken) und/oder die vollen Samen haben z.T. verschiedene Größen und Formen, handelt es sich wahrscheinlich um eine triploide Sorte, d.h. um einen schlechten Pollenspender.
9. Bei Süßkirschen sind die Befruchtungsverhältnisse noch etwas komplexer, hier gibt es sogenannte Intersterilitätsgruppen. Im Zweifelsfall, falls der eigene Kirschbaum trotz guten Blühwetters und Insektenflug nicht trägt, sollte man es testweise mit Blühzweigen anderer Kirschbäume versuchen.
10. Aprikosen, Pfirsiche und Sauerkirschen (sowie ein Teil der Pflaumensorten) sind im Übrigen selbstfruchtend, sie benötigen keine zweite Sorte als Befruchter. Eine zweite Sorte als Befruchter wirkt jedoch auch hier verstärkend.
Soweit unser Obstblüten-ABC für eine erfolgreiche Obsternte im Garten.