von Hans Joachim Bannier:
Durch den Klimawandel eine um zwei Wochen frühere Apfelblüte
In den Jahrzehnten vor 1990 lag der Beginn der Apfelblüte hierzulande erst im Mai. Aufgrund des Klimawandels ist der durchschnittliche Beginn der Apfelblüte in Deutschland inzwischen um gut 2 Wochen nach vorne gerückt. Das erhöht die Gefahr von Nachtfrösten in der Blüte. Am heftigsten haben die Obstbauern in ganz Mittel- und Westeuropa das im Frühjahr 1990 erfahren müssen: Aufgrund des viel zu warmen Winters blühten seinerzeit die Apfelbäume schon in der ersten Aprilhälfte; ausgerechnet da kamen dann die ersten Fröste des Jahres. In der Folge hatten wir 1990 die höchsten Apfelpreise aller Zeiten (konventionelle Äpfel 7.- DM/kg auf den Wochenmärkten der Städte).
Frostschäden: der gewerbliche Niederstammanbau ist am stärksten betroffen
Für die Obsthöfe in Deutschland, die Tafelobst für die Supermärkte produzieren, kommt erschwerend hinzu, dass die meisten der modernen Apfelsorten sogenannte Frühblüher sind, d.h. im Reigen der Apfelsorten gehören sie zu denen, die zuerst aufblühen. Und auf den heute im Erwerbsobstbau verwendeten schwach wachsenden Wurzelunterlagen blühen die Apfelsorten noch mal ein paar Tage eher als auf den Hochstämmen, auf denen früher Apfelsorten angebaut wurden. Die bodennahe Ernte auf den Apfelbüschen heutiger Tage ist zwar einerseits wirtschaftlicher als die Hochstamm-Ernte, andererseits treffen Blütenfröste die Blüte des Niederstammobstes eben auch stärker, da sich die Frostluft am Boden sammelt.
Die großen Obsthöfe haben daher inzwischen zumeist eine aufwändige Frostschutzberegnung installiert. Bei Luftfrost werden die Blüten dann beregnet und in einen Eispanzer gepackt, in dem sie bei -1° C besser überleben können als bei -5° Luftfrost.
Sortenvielfalt als Strategie gegen Blütenfröste
Obstbauern früherer Zeiten hatten i.d.R. eine andere Strategie, sich gegen Blütenfröste zu schützen: Sortenvielfalt!
Unter den Apfelsorten früherer Zeiten gab es eine größere Anzahl ausgewiesener Spätblüher (bekannt z.B. Rote Sternrenette oder Rheinischer Winterrambur). So hat in typischen Blütenfrostjahren immer wenigstens ein Teil der Bäume getragen und die Bauern vor einem Totalverlust bewahrt. Interessanterweise sind gerade viele sog. Lokal- oder Regionalsorten ausgesprochene Spätblüher und waren deshalb beliebt, selbst wenn es z.T. eher Wirtschaftsäpfel für die Küche waren und keine erstklassigen Tafeläpfel (in Westfalen z.B. Westfälischer Gülderling, Schöner aus Wiedenbrück, Gelber Münsterländer Borsdorfer; im Rheinland z.B. Tulpenapfel, Schöner aus Elmpt, Grünapfel, Luxemburger Triumph).
Streuung der Blütezeit durch Auswahl verschiedener Standorte
Auch durch die Auswahl verschiedener Standorte (Südhang-, Nordhanglage) hat man – wo das möglich war – versucht, eine gewisse Streuung der Blütezeiten zu erreichen. Nordhänge galten früher (weil später blühend) als die besten Standorte für den Obstbau und viele Nordhänge der Mittelgebirge waren typische Obstbaustandorte (z.B. im Nordharz bei Blankenburg/Quedlinburg; an den Fahnerschen Höhen nordwestlich von Erfurt; an der Frankenhöhe bei Burgbernheim/Mittelfranken).
Der moderne Obstbau hat technisch aufgerüstet und meint daher, Biodiversität und Standortfaktoren nicht mehr berücksichtigen zu müssen. Ab -7° bis -8° C hilft dann allerdings auch die Frostschutzberegnung nicht mehr, wie 2017 einige Betriebe in Süddeutschland bitter erfahren mussten. Das Obst-Institut in Weinsberg (Baden-Württemberg) hat in der Folge damit begonnen, besonders spät blühende alte Apfelsorten in ihr Zuchtprogramm zur Entwicklung neuer Apfelsorten aufzunehmen.
Die Erhaltung von Biodiversität bei Apfelsorten ist elementar wichtig
Was wäre, wenn es diese spätblühenden alten Sorten gar nicht mehr gäbe, nachdem alle Obstbau-Institute uns von 1960 bis heute weisgemacht haben, dass wir den “alten Klump” nicht mehr brauchen (und der Staat den Hochstammobstbau zum Auslaufmodell erklärte und in den 1970er Jahren Rodeprämien zum Roden der Hochstammbäume bezahlte)?
Das Beispiel mag deutlich machen, dass die Erhaltung der Biodiversität bei Apfelsorten – wie bei allen landwirtschaftlichen Kulturpflanzen – von elementarer Wichtigkeit ist, um auf Umweltveränderungen reagieren zu können. Inzwischen gibt es in Deutschland einige Dutzend Arche-Höfe für alte Obstsorten, an denen (so wie hier am Obstarboretum Olderdissen) traditionelle Sorten in größerem Umfang erhalten werden. Spezielle Förderprogramme zur Erhaltung genetischer Vielfalt sind in den letzten Jahren zwar in der politischen Diskussion gewesen, jedoch leider im Sand der politischen Umsetzung in den Bundesländern immer wieder abgeblockt worden.