Bielefeld, September 2024

In den letzten Jahren habe ich in diesem Newsletter bereits des Öfteren Apfelsorten portraitiert. Meist waren das entweder die ganz frühen (im August reifenden) Sorten oder die Spätwinter- bzw. Lagersorten. Heute möchte ich einmal einige Frühherbstsorten vorstellen, die wir zur Zeit – wenn auch teils nur in kleinen Mengen – bei uns im Hofladen und unserer ‘Obst-Haltestelle’ angeboten haben oder noch anbieten:

Gravensteiner

Zu den bekanntesten “alten” Frühherbstsorten gehört der Gravensteiner, wegen seiner edelaromatischen und saftigen Früchte einst (und bis heute noch) sehr beliebt. Schon seit mindestens 3 Wochen haben wir die Sorte auch bei uns im Hofladen und die Früchte finden regen Anklang, obwohl sie in diesem Jahr mit seiner regenreichen Witterung doch auch einige Schorfflecken aufweisen.

Fast überall in Deutschland findet man die Sorte auch auf den Empfehlungslisten für Streuobst wieder. Wer diese Sorte pflanzen möchte, sollte allerdings unbedingt ein bißchen mehr über die Eigenheiten dieser Sorte wissen, denn der Gravensteiner ist im Anbau alles andere als “einfach”. Das beginnt schon damit, dass die Sorte ausgesprochen starkwüchsig ist und gerade auf Hochstamm meist auch mindestens 10-12 Jahre braucht, bis der Baum überhaupt anfängt zu tragen. [Dass man den Ertragsbeginn eines Baumes mit einigen ‘rauhbeinigen’ Tricks am Ende doch auch wieder ein paar Jahre verfrühen kann, davon ein andermal mehr].

Als nächstes braucht der Gravensteiner während der Vegetationszeit im Frühjahr/Sommer unbedingt einen genügend feuchten Boden. Trockene Standorte oder lang ausbleibende Niederschläge (wie im Klimawandel der letzten Jahre häufiger) führen dazu, dass die Früchte nicht nur kleiner bleiben, sondern auch eine leicht bittere Note bekommen können oder der Baum sie vorzeitig abwirft. Der feuchte Sommer dieses Jahres lässt die Früchte des Gravensteiner dagegen besser schmecken – führt andererseits aber dazu, dass sie an nicht optimal belüfteten Standorten Schorfflecken bekommen, denn die Sorte ist ausgesprochen schorfanfällig.
Und schließlich neigt der Gravensteiner sehr zu vorzeitigem Fruchtfall, wenn die Pflückreife ansteht. Man kann also immer nur entweder ein ganz bisschen zu früh ernten (auf Kosten des optimalen Geschmacks) oder riskieren, dass die Hälfte der Früchte bereits unten liegen, wenn man zum optimalen Reifezeitpunkt ernten will. Das Geschmackserlebnis der dann im optimalen Moment gepflückten Früchte kann – wenn man sie noch einige Tage nachreifen lässt – sensationell sein.

Das Beste ist also, man hat irgendwo einen bereits 20 Jahre alten (oder älteren) Gravensteiner stehen, der schon im Ertrag ist (alte Bäume dieser Sorte sollte man keinesfalls absägen!). Gravensteiner als Hochstamm jung zu pflanzen ist dagegen eine Herausforderung! Immerhin: Mit einer fachgerechten Schnittpflege kann die Sorte wunderschöne große Baumkronen entwickeln, die ein Alter von 100 Jahren erreichen können!
Weitere Informationen über die Apfelsorte “Gravensteiner”

Prinzenapfel

Er ist schon ein lustiger Apfel, der Prinzenapfel, mit seiner urig langgestreckten und sehr unregelmäßigen Fruchtform (keine Frucht sieht aus wie die andere). Dabei schmecken die Früchte dieser uralten Sorte, zum richtigen Zeitpunkt geerntet, richtig gut und eigenwillig aromatisch. Nicht umsonst gehörte der Prinzenapfel einst zu den beliebtesten Apfelsorten Norddeutschlands und war um die Jahrhundertwende 1900 eine der Hauptsorten auf den Berliner Wochenmärkten.

Dass die Sorte in Westfalen einst als ‘Haferapfel’ bekannt war, ist eigentlich verwunderlich, denn als ‘Haferäpfel’ wurden eigentlich normalerweise die Sorten bezeichnet, die schon im August reiften, wenn auf den Feldern auch der Hafer geerntet wurde (auch der ‘Gravensteiner’ wird gelegentlich ‘Haferapfel’ genannt). Und der Prinzenapfel ist eigentlich eher im Zeitfenster 10. bis 20. September reif (in diesem Jahr allerdings schon vor dem 10.September!). Nach der Ernte sind die Früchte nur wenige Wochen haltbar, sollten also bald gegessen werden.

Wer den Prinzenapfel als Baum pflanzen will, muss allerdings darauf achten, dass der Boden genügend Feuchte hat (andererseits nicht staunass ist). Ansonsten ist die Sorte robust gegenüber Schorf und Mehltau und trägt auch relativ gut. Nur den richtigen Erntezeitpunkt zu finden ist nicht ganz einfach, denn in der Reife fallen die Früchte leicht. Notfalls hilft es, den Boden unter dem Baum mit Heu oder Stroh zu polstern, damit die Früchte weich fallen.

Weitere Informationen über die Apfelsorte “Prinzenapfel”

Doppelter Prinzenapfel

Ähnlich aromatisch wie der Prinzenapfel sind auch die Früchte des Doppelten Prinzenapfels, der großfrüchtigen Tochter des Prinzenapfels. Auch diese Sorte ist sehr robust gegenüber den wichtigsten Pilzkrankheiten Schorf und Mehltau und war im Streuobst früher in Norddeutschland und darüber hinaus sehr verbreitet. Nicht nur die Früchte sind teils doppelt so groß wie die der Muttersorte, sondern auch die Bäume bilden oft stattliche Kronen mit doppeltem Volumen – eine typische robuste Streuobstsorte für die Obstwiese!

Das Manko, dass die Früchte (mit ihrem sehr kurzen Fruchtstiel) sich zur Fruchtreife lösen und herunterfallen, hat der Doppelte Prinzenapfel mit seinen schweren Früchten leider noch stärker als seine kleinere Muttersorte, denn sie sind obendrein druckanfällig. Da die Früchte (wie die des Prinzenapfels) nur wenige Wochen halten, wird die Ernte im Streuobst deshalb i.d.R. vorzugsweise für einen qualitativ guten Apfelsaft verwendet statt für den Frischverzehr.

Weitere Informationen über die Apfelsorte “Doppelter Prinzenapfel”

Biesterfelder Renette

Zu den richtig hocharomatischen Sorten gehört die Biesterfelder Renette. Diese im 19. Jahrhundert bei Schloss Biesterfeld (Lippe) entstandene Sorte war in Westfalen und Lippe einst weit verbreitet und beliebt und ist heute in ganz Deutschland noch in Streuobstbeständen zu finden. Die aromatisch süßen Früchte reifen Ende August/Anfang September und zählen zu den geschmacklich erstklassigen, sind allerdings auch nur bis höchstens Oktober haltbar. Der Baum ist starkwüchsig, wächst oft sehr in die Breite. Er gilt eigentlich als relativ robust gegen Schorf; in diesem Jahr mit seinen hohen Niederschlägen (2024) auf schweren Böden ist die Sorte jedoch etwas anfällig für Obstbaumkrebs und an sehr warmen Standorten kann sich auch Mehltau zeigen. Im Ertrag ist der Baum alternierend (nur alle 2 Jahre) und er hat nur mittlere Erträge.

Weitere Informationen über die Apfelsorte “Biesterfelder Renette”

Dülmener Rosenapfel

Zu den Klassikern gehörte in ganz Westfalen früher der Dülmener Rosenapfel – in Dülmen bei Münster entstanden und somit auch ein Kind der Region. Mit seinen saftigen und fruchtig-aromatischen Früchten einst sehr beliebt und ein schöner Frühherbstapfel. Der eher in die Breite wachsende Baum gilt als relativ robust gegenüber Apfelschorf, Mehltau und Obstbaumkrebs, hat aber in den letzten warmen Jahren ein bißchen zu kämpfen gehabt mit einer “Schrotschuss”artigen Krankheit, die silbrige Flecken mit dunklem Rand auf Blättern und Früchten hinterlässt und die sonst eher bei den modernen Apfelsorten zum Problem wird (im Instituts-Jargon ‘Topaz-Spots’ genannt). Die Früchte sind bei uns im Hofladen immer gut nachgefragt.

Weitere Informationen über die Apfelsorte “Dülmener Rosenapfel”

Moringer Rosenapfel

Über die vielen Jahre, die ich die Apfelsorten des Obst-Arboretums beobachte, werde ich immer mehr ein Fan des Moringer Rosenapfel. Der Baum trägt fast jedes Jahr gut, setzt nur selten mit dem Ertrag aus. Zwar ist ein Teil der Früchte am Baum meist etwas klein, aber wenn man nicht alle Äpfel auf einmal erntet, sondern immer nur die größten Früchte auspflückt, werden die übrigen am Baum innerhalb weniger Tage ebenfalls noch größer und wohlschmeckender. Eine schöne Frühherbstsorte mit fruchtig-saftig-aromatischer Frucht für den Selbstversorger. Die Sorte reift etwas vor dem Dülmener Rosenapfel, meist schon Ende August, genussreif sind die Früchte bis Ende September. Der Baum ist zwar deutlich anfällig für Mehltau, das hindert ihn jedoch bei uns auf dem kühlen Nordhang nicht an der regelmäßigen ‘Produktion’ vieler Früchte. Für kühle Standorte und Klimate ist die Sorte in jedem Fall empfehlenswert – in warmen oder Weinbaulagen ist dagegen Vorsicht geboten.

Gascoynes Scharlachroter

Optisch ein ‘Knaller’ ist die Sorte ‘Gascoynes Scharlachroter’ mit ihren großen, leuchtend dicolor gelbroten Früchten, die wir ab dem heutigen Freitag in den Verkauf nehmen. Süß aromatisch, leicht ‘parfümiert’ schmeckend, findet sie immer ihre Liebhaber. Pflanzt man Bäume dieser Sorte, muss man allerdings damit leben, dass die Sorte recht unregelmäßig trägt und dass ein gewisser Prozentsatz an Früchten meist am Baum zu faulen beginnt. Was einem schließlich an Ernte verbleibt, ist dafür umso schöner! Die Sorte verlangt ansonsten einen gut durchlüfteten und eher kühlen Standort.

Weitere Informationen über die Apfelsorte “Gascoynes Scharlachroter”

Notarisappel

Dass der ‘Notarisappel’ – eine holländische Sorte, dort um 1910 entstanden – in der Nordhälfte Deutschlands durchaus öfters im Streuobst vorkommt, hat damit zu tun, dass schon seit Jahrzehnten manche Handelsbaumschule in Deutschland ihre Obstbäume bei den etwas billiger produzierenden holländischen Kollegen zugekauft hat. Wo dann ‘Dülmener Rose’ auf dem Etikett stand, war ‘Notarisappel’ drin (was auch nur wenigen aufgefallen sein dürfte, da schließlich beide rotgestreifte Früchte haben). Auf diese Weise bin ich selbst bereits als Kind mit dem Notarisappel groß geworden in dem irrtümlichen Glauben, dass der ‘Dülmener Rosenapfel’ der Lieblingsapfel meiner Kindheit gewesen sei.
Auch wenn es sich beim Notarisapfel also sozusagen um einen inkognito eingereisten Migranten handelt (dessen wahre Identität ich erst in den 2000er Jahren bei einer pomologischen Reiser nach Holland aufklären konnte), hat die Sorte die Streuobstlandschaft in Norddeutschland durchaus positiv bereichert. Denn die Bäume des Notarisapfel sind starkwüchsig und robust gegenüber Krankheiten und der Baum trägt relativ regelmäßig. Eine leichte Anfälligkeit für Fruchtschorf betrifft meistens nur die im Innern des Baumes reifenden Äpfel. Die Früchte sind vorwiegend süß, geerntet werden sie ca. Mitte September (meist kurz nach denen des ‘Dülmener Rosenapfel’) und haltbar sind sie bis November/Dezember, wobei am Ende die Schale etwas fettig wird und der Saftgehalt am Ende nachlässt. Kaum eine andere Apfelsorte verbreitet dabei einen so starken Apfelduft im Lager wie der Notarisapfel.

Weitere Informationen über die Apfelsorte “Notarisapfel”

Martens Sämling

Das Erstaunlichste an dieser Sorte finde ich noch immer, dass sie im Streuobst in Deutschland zwar weit verbreitet ist (vom Alten Land bis zum Bodensee), aber in der alten Obstsortenliteratur nie beschrieben worden ist und auch kaum jemand ihren Namen kennt. Dabei gehört die Sorte zu den schmackhaften aromatischen Tafeläpfeln und zu den empfehlenswertesten Streuobstwiesensorten überhaupt. Denn die Bäume sind robust gegen Schorf, Mehltau und Obstbaumkrebs, wachsen stark und bilden langlebige große Kronen. Die großen und fast immer schorffreien Früchte schmecken vorwiegend süß, sind auch optisch ansprechend und werden ca. Mitte September geerntet. Dass sie sich nur bis in den Oktober hinein lagern lassen, ist fast der einzige Nachteil dieser Sorte. Ausfälle durch Fäulnis (am Baum oder auf dem Lager) gibt es bei dieser Sorte in der Regel kaum (es sei denn, man hat die Bäume zu heftig zurückgeschnitten und die wenigen verbliebenen Früchte werden dann übergroß und neigen zu Stippe). Wie die meisten der sehr starkwüchsigen (triploiden) Streuobstsorten alterniert die Sorte von Jahr zu Jahr zwischen sehr hohen und anschließend niedrigen Erträgen. In jedem Fall gehört die Sorte auf jede Empfehlungsliste für Streuobstwiesen!

Weitere Informationen über die Apfelsorte “Martens Sämling”

Herzliche Grüße
Hans-Joachim Bannier


Obst-Arboretum Olderdissen
Alte Obstsorten – Obstbaumschnitt – Obstsortenbestimmung
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