Was gilt es, bei der Erziehung und beim Schnitt von Birnbäumen zu beachten?

Im Allgemeinen werden Birnbäume nach den gleichen Prinzipien geschnitten wie Apfelbäume, und sie fruchten am zweijährigen Holz und treiben auch wieder aus, wenn man sie ins alte Holz zurückschneidet. Es gibt aber zwei Besonderheiten, die es beim Birnbaumschnitt und der Erziehung von Birnbaumkronen zu bedenken gilt. Viele Birnbaumsorten haben

  • eine ausgeprägte Neigung zur Dominanz des Mitteltriebes
  • und einen Hang zum Schleuderwuchs.

Dominanz des Mitteltriebes (der Stammverlängerung)

Viele Birnensorten neigen dazu sehr steil zu wachsen, bzw. sind sehr mittendominant. Verschiedene Birnensorten wie z.B. Köstliche von Charneu oder Gellertbirne weisen eine besonders starke Entwicklung der Stammverlängerung auf. Sie bilden deshalb auch sehr hohe Baumkronen. Bei der Köstlichen von Charneu wird dabei gleichzeitig die Entwicklung der Leitäste vernachlässigt.

Mittendominante Altbäume, Bildquelle wikipedia.de (Johann Jaritz)

Es gibt einige Möglichkeiten, dieser Mitteltriebdominanz entgegenzuwirken:

  • In die Breite ziehen der Leitäste: durch einen speziellen “Auge-Umkehr-Schnitt” (Palmer) oder durch ein Flacherbinden lassen sich auch solche Kronen in die Breite ziehen.
  • Einkürzen des Mitteltriebes: die Mitteldominaz lässt sich auch reduzieren, indem man die Krone schon in jüngeren Jahren in der Höhe einkürzt.
  • Mögliche Entfernung des Mitteltriebes: Eine weitere Möglichkeit besteht in der kompletten Entfernung der Stammverlängerung. Der Mitteltrieb wird dann direkt beim Pflanzschnitt entfernt. Drei bis vier Leitäste werden belassen und hohlkronenförmig angeordnet.

Hang zum Schleuderwuchs

Alte, ungepflegte Burnbäume mit Schleuderwuchs, Bikdquelle: Spreng 1938

Eine weitere Eigenart von einzelnen Birnensorten ist der Hang zum Schleuderwuchs: speziell Langtriebe kippen gerne ab.

Einem Hang zum Schleuderwuchs kann man in der jugendlichen Kronenerziehung nur durch Stäben (Geradebiegen von Leitästen durch Fixierung an Stäben) entgegenwirken.

 

Spalierformen sind zwei- oder dreidimensionale Kunstkronenformen. Sie benötigen ein Gerüst (Spalier):

  • entweder freistehend
  • oder an einer Wand befestigt.

In den meisten Fällen sitzt das Fruchtholz bei ihnen – ähnlich wie bei den Spindeln – direkt an den Seitenästen.

Das 17.- bis 19. Jahrhundert war die Blütezeit des kunstvollen Spalierobstbaus, bei dem es weniger auf den Ernteertrag, sondern mehr auf die kunstvolle Kronenform ankam. Zwei Beispiele von dreidimensionalen Spalieren aus dieser Zeit:

Kesselbaum, Bildquelle Lucas 1881

Flügelpyramide, Bildquelle Lucas 1881

 

 

 

 

 

 

 

Obstspaliere in der heutigen Zeit

Besonders zweidimensionale Spaliere an Hauswänden kommen aufgrund ihres geringen Platzbedarfs in den Städten wieder in Mode. Hier zwei Beispiele:

Doppelter U-Kordon, Bildquelle Lucas 1881

Waagerechte Palmette, Bildquelle Lucas 1881

 

 

 

 

 

 

 

 

Vorteile von Obstspalieren

  • Obstspaliere stellen eine gute Möglichkeit eines Urban Gardenings dar.
  • Die ökologische Wertigkeit der Begrünung von Hauswänden in Städten ist außerordentlich groß!
  • Zweidimensionale, flache Spaliere beanspruchen erheblich weniger Platz als frei wachsende Obstbäume.
  • Es lassen sich auch in kühleren Regionen wärmeliebende Obstarten am Spalier anbauen.
  • Bei Obstbäumen, die an einer Hauswand wachsen, sind deutlich weniger Ausfälle wegen Spätfrösten zu verzeichnen.

Nachteile von Obstspalieren

  • Der Bau eines Spaliers an einer Hauswand will wohlbedacht sein, da bei nicht fachgerechtem Anbringen auf Dauer die Bausubstanz leiden kann.
  • Der Bau eines Spalieres und die Pflege des Baumes sind aufwändig.
  • Es ist im Bereich des Spaliers mit erhöhtem Aufkommen von Insekten und Vögeln zu rechnen.
  • Die Erntemenge wird wahrscheinlich nicht im Verhältnis zum Aufwand stehen. Das wird aber durch die hohe ökologische Wertigkeit wettgemacht.

 

 

 

 

 

Spindeln sind niederstämmig, die Stammlänge bis zum ersten Seitenast beträgt nur 40-60 cm. Sie sind gekennzeichnet durch einen einzigen Gerüstast in Form der durchgehenden Stammverlängerung, an dem direkt das Fruchtholz spindelartig angeordnet ist.

1896 legte der deutsche Obstbaupionier Otto Schmitz-Hübsch die ersten Apfel- und Birnenplantagen mit Niederstämmen an. Mittlerweile haben sich die Spindeln als Standardkronenform des Erwerbsobstbaus durchgesetzt. Sie eignen sich auch sehr gut für Hausgärten.

Spindeln erinnern an einen Tannenbaum, da das Seitenholz nach unten breiter wird. Sie sind statisch gesehen die stabilste Form, wie ein Obstbaum Fruchtlasten tragen kann.

Es wird unterschieden zwischen

  • dem Spindelbusch, der im unteren Bereich noch leitastähnliche, stärkere Gerüstäste vorweisen kann,
  • und der schlanken Spindel, die keine Gerüstäste mehr hat, sondern direkt von der Stammverlängerung abgehend nur noch dünne Seitenäste mit Fruchtholz.

Spindelbusch

Beim Spindelbusch werden die unteren Äste leicht ansteigend weiter herausgezogen, so dass die Spindel breiter wird. Diese Kronenform wird primär bei schwach bis mittelstark wachsenden Unterlagen eingesetzt.

Spindelbusch

Schlanke Spindel

Dagegen stellt die schlanke Spindel von der Form her einen schmaleren Spitzkegel dar. Sie ist die häufigste Kronenform bei schwach wachsenden Unterlagen und haben einen geringen Platzbedarf.

Schlanke Spindel

Höhe und Breite von Schlanken Spindeln

Vorteile von Spindeln

  • Gute Statik,
  • geringer Platzbedarf,
  • schneller Ertragsbeginn, oft schon 2-3 Jahre nach der Pflanzung,
  • hoher Ertrag pro Fläche.

Nachteile von Spindeln

  • Flachwurzler, dadurch sehr trockenheits- und wühlmausanfällig,
  • benötigen zeitlebens einen Stützpfahl,
  • (geringe) Geschmackseinbußen bei den Früchten, bedingt durch die flachen Wurzeln.

 

 

Der Buschbaum ist eine niederstämmige Kronenform, bei der die Krone in einer Höhe von 60 bis 80 cm ansetzt. Er ist meistens auf eine mittelstark wachsende Unterlage veredelt und kann bis ca. 4 m hoch und ca. 5 m breit werden.

Er bildet Gerüstäste aus (Stammverlängerung, Leitäste + Seitenäste mit Fruchtholz), ähnlich wie bei den Halb- und Hochstämmen. Im Gegensatz zur Oeschbergkrone werden beim Buschbaum mehrere Leitastebenen zugelassen.

Eigentlich lassen sich alle Baumobstarten leicht als Buschbaum ziehen. Nur bei Birnensorten ist diese Erziehungsform etwas schwieriger durchzusetzen, da sie von Natur aus zu Schleuderwuchs neigen.

Struktur eines alten Buschbaumes mit der gewünschten Tannenbaumform. Dadurch werden die unteren Leitäste weniger durch die oberen beschattet, und Verkahlungen werden verhindert.

Blühender Buschbaum, Bildquelle Pixabay (Günter Schneider)

Vorteile von Buschbäumen

  • Es gibt Obstsorten, die zur Ausbildung kleiner Kronen neigen. Bei mittelstark wachsenden Unterlagen lohnt sich daher bei ihnen eine Erziehung nach Oeschberg nicht. Besonders hierfür bietet sich die Buschbaumkrone an, z.B. bei Apfelsorten wie der Zuccalmagliorenette.
  • Aber auch normal wuchskräftige Sorten lassen sich auf mittelstarker Unterlage als Buschbaum erziehen, wobei der Schnittaufwand gegenüber der Oeschbergkrone geringer ist.
  • Buschbäume benötigen in der Regel weniger Platz als Oeschbergkronen und sind insofern für den Hausgarten geeignet.

Nachteile von Buschbäumen

  • Es handelt sich hier um eine sehr naturnahe Kronenform mit der Stammverlängerung und seinen Gerüstästen, den Leit- und Seitenästen. Durch seine nur mittelstarke Unterlage und dem Verzicht auf die Oeschberg-Formierung wächst er aber kompakt. Dadurch ist die Gefahr von Kronenverdichtungen groß, wodurch es zu Verkahlungen kommen kann.
  • Um Überbauungen und Kronenverdichtungen vorzubeugen, benötigen Buschbäume regelmäßigen, jährlichen Schnitt.

Entfernt man bei einer Oeschbergkrone den Mitteltrieb (Stammverlängerung), so erhält man eine Hohlkrone. Sie eignet sich für mittelstark wachsende und stark wachsende Unterlagen. Für Apfelbäume wird die Hohlkrone in Deutschland wenig genutzt. In der Schweiz trifft man sie, besonders im Hochstammanbau, häufiger an.

Bei der Hohlkrone kann man – im Gegensatz zur Oeschbergkrone – auch einige nach innen gerichtete Triebe wachsen lassen. Diese streben aber immer steil in die Höhe (Wasserschosse) und müssen in der Größe begrenzt (pinziert) werden, um ihr Wachstum zu verringern und das Fruchten zu fördern. Dies erhöht den Schnittaufwand.

Hohlkrone

Vorteile der Hohlkrone

  • Vorteil der Hohlkrone ist die noch bessere Durchlüftung und Besonnung, da die Stammverlängerung (Mitteltrieb) fehlt. Deshalb entscheidet man sich bei empfindlichen und wärmeliebenden Obstarten wie Pfirsiche und Aprikosen immer noch gerne für die Hohlkrone.
  • Auch für schattige Standorte eignet sie sich sehr gut.

Nachteile der Hohlkrone

Eine etwas geringere Ernte, da die Stammverlängerung fehlt.

Alle bekannteren Kern- und Steinobstarten lassen sich ohne viel Aufwand nach dieser Methode erziehen. Eine Ausnahme ist der Birnbaum, der von Natur aus zum spindelartigen Wuchs tendiert und etwas mehr Arbeit erfordert. Obstbäume auf schwach wachsenden Unterlagen (bei Apfelbäumen z.B. die Unterlagen M9 und M27) lassen sich allerdings nicht nach Oeschberg erziehen, ihnen fehlt einfach die Wuchskraft für den Aufbau solch einer Kronenstruktur.

Die klare Struktur der Oeschbergkrone
Das Ziel ist, durch den Oeschbergschnitt einen pyramidenförmigen Kronenaufbau mit nur einer Leitastetage zu erreichen:

  • es gibt eine dominierende Stammverlängerung, die dauerhaft den höchsten Punkt im Baum einnimmt. Der Stammverlängerung entspringen Seitenäste, die flach gehalten werden und dadurch schwach im Wachstum bleiben, Diese Stammverlängerungs-Seitenäste werden spindelartig flach angeordnet.
  • Von der Stammverlängerung ab gehen drei bis höchstens fünf Leitäste. Auch den Leitästen entspringen Seitenäste, die Leitast-Seitenäste, die allerdings durch ihre mehr aufrechte Stellung stärker wachsen als die Seitenäste der Stammverlängerung.
  • Das Fruchtholz, an dem sich neben den Blatt- auch die Blütenknospen entwickelt, wächst hauptsächlich aus den Seitenästen heran.
    So genanntes „schwaches Fruchtholz gibt es – in geringerer Menge – allerdings auch direkt an der Stammverlängerung und den Leitästen.

Struktur der Oeschbergkrone

Oeschbergkrone mit 5 Leitästen

Vorteile einer Oeschbergkrone

  • Förderung des Holzwachstums,
  • Stabilisierung der Leitäste,
  • hoher Lichteinfall und gute Belüftung,
  • gute Zugänglichkeit,
  • Vermeidung von Überbauungen der Leitäste.

Nachteile einer Oeschbergkrone

  • Keine

Zur Geschichte der Kronenformierung von Obstbäumen

Naturkronen ohne Schnittmaßnahmen im Mittelalter

Hinweise auf den Obstbau reichen bis in das Altertum zurück. Wir können davon ausgehen, dass zu damaligen Zeiten Schnittmaßnahmen an Obstbäumen bekannt waren, überliefert sind sie allerdings nicht. Im Mittelalter wird weder das Veredeln von Obstbäumen noch der Schnitt erwähnt. Ostbaumkronen ohne Schnittmaßnahmen wachsen als Naturkronen heran, mit mehreren Leitastetagen, wobei sich durch Beschattung der unteren, inneren Astpartien der Fruchtertrag immer weiter oben und außen am Baum ansiedelt.

Naturkrone ohne Schnittmaßnahmen: starke Äste im oberen Bereich beschatten die unteren Leitäste, diese verkahlen mehr und mehr.

17. - 19. Jahrhundert: die historischen Kunst- und Spalierformen

Im 17. Jahrhundert kam der der Spalier- und Kunstkronenobstbau mit mehr oder weniger komplizierten Schnittmaßnahmen in Mode. Dies diente mehr der Repräsentation als der Erzeugung von Ernteerträgen:

  • DE LA BARAUDIERE erwähnte im Jahre 1638 Stein- und Kernobstspaliere, die als Fächerspalier erzogen wurden.
  • 1655 wird durch VAUTIER zum ersten Mal mit der Beschreibung einer Hohlkrone eine dreidimensionale Kunstform für freistehende Obstbäume erwähnt.
  • 1745 beschreibt COMBLE zum ersten Mal eine Hohlkrone als zweidimensionales Spalier.
  • 1773 erfindet PELLETIER immer neue Formen, die geometrischen Figuren entsprechen.
  • 1843, 1856 und 1862 Beschreiben MALLOT, LEPERE und GRESSENT noch weitere bizarre Kronengerüste und geben Hinweise für ihre Erziehung.
    1887 empfiehlt LUCAS die Kugelkrone als Pyramiden-Hohlform.

Um 1770 erreichte nach KEMMER der Kunstkronenbau seinen Höhepunkt.

20. Jahrhundert: Bemühungen um vereinfachte Schnitttechniken

Ab 1890 gab es dann Bestrebungen, die doch sehr aufwendigen Schnittarbeiten, die im Spalier-/Kunstkronenbau vorherrschten, wesentlich zu vereinfachen. Diese Bestrebungen begannen vor allem bei den Hochstämmen.

"Der Kunstkronenbau mit seinem klassischen Fruchtholzschnitt musste scheitern in dem Augenblick, als der Obstbau in die Hand von Anbauern gelangte, die sich damit nach ausländischem Muster eine Erwerbsquelle schaffen wollten. Diese Anbauer erblickten im Obstbau keine Liebhaberei mehr. Sie hatten weder Zeit noch Lust, langwierige Schnittkunststücke zu erlernen und anzuwenden, die zudem noch den Nachteil der Unwirtschaftlichkeit aufwiesen; deshalb lehnten sie den Kunstkronenbau ab.“ Groh, Wilhelm, „Leitfaden für den Obstbaumschnitt“, S. 62

Allerdings verfiel man dann häufig ins gegenteilige Extrem, und die Obstbäume wurden vernachlässigt und überhaupt nicht geschnitten.  Dadurch entwickelten sich - wie auf dem oberen Foto zu erkennen - schirmartige Naturkronen mit Verschattungen in den unteren Bereichen der Bäume, und die Fruchtproduktion verlagerte sich wieder zunehmend in die Höhe.

Die Oeschbergkrone

Hans Spreng entwickelte dann ab 1930 aus seinen Erkenntnissen über die Umstellung vernachlässigter Altbäume heraus die Technik der Kronenformierung nach Oeschberg. Der so genannte „Oeschbergschnitt“ ist eine Methode, um Obstbäume so zu schneiden, dass die oben genannten Nachteile nicht auftreten. Die daraus entstehenden Kronen gelten seitdem als optimal für Obstbäume auf stark wachsenden Unterlagen, die auf Streuobstwiesen wachsen, können aber auch bei mittelstarken Unterlagen eingesetzt werden.

Kleine Kronenformen

Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden im Zuge der Intensivierung des gewerblichen Obstbaus auch Kronenformen für kleinere Baumformen (Buschbaum, Spindel etc.) auf schwach wachsenden Unterlagen entwickelt. Diese erlauben einen wesentlich höhere Erträge.

Pflanzung im Herbst

Um den Wurzeln von jungen Obstbäumen einen guten Start zu ermöglichen, sollten die Bäume im Herbst eingepflanzt werden. Bis zum Sommer haben dann die Wurzeln Zeit genug zum Anwachsen.

Baumwurzeln vor dem Einpflanzen immer feucht halten

Meist werden Jungbäume wurzelnackt geliefert. Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass die Wurzeln niemals austrocknen, wenn die Jungbäume transportiert und ggf. zwischengelagert werden. Sind die Wurzeln zu lang oder beschädigt, so können sie mit einer scharfen und sauberen Schere eingekürzt werden.

Hilfsmittel zur Förderung des Wurzelwachstums

Positiv auf das Wurzelwachstum wirkt sich ein vor dem Einpflanzen ausgeführtes Lehmbad mit Wachstumsstarter (z.B. Vitanal Professional) aus. Alternativ dazu kann auch ein Tauchbad auf Algenbasis (z.B. Algurine Wurzel-Dip Pulver) durchgeführt werden.

Ausgiebiges Angießen nach der Obstbaumpflanzung

Nach Beendigung der Pflanzung sollte ausgiebig angegossen werden, Schliebner/Decker/Stich empfehlen 40 – 100 Liter. Eine bis in die Tiefe reichende Austrocknung des Bodens im Bereich der Jungpflanzen sollte im ersten Jahr vermieden werden.

vgl. Schliebner, Stefan/Decker, Peter/Schlitt, Michael, “Streuobstwiesen im Klimawandel – Ein Leitfaden”, Oberlausitz-Stiftung, Görlitz/Ostritz 2023

Der Wasserbedarf von Obstbäumen ist von verschiedenen Faktoren abhängig

Funktionsfähigkeit der Wurzeln

Durch Wühlmausverbiss vorgeschädigte Bäume können nicht so effektiv Wasser aufnehmen und benötigen mehr zusätzliche Bewässerung.

Veredelungsunterlage

  • Schwachwachsend: kleines, oberflächliches Wurzelvolumen, muss häufiger gegossen werden.
  • Starkwüchsig: tiefer gehender Wurzelbereich, muss weniger gegossen werden – aber wenn, dann mit mehr Wasser.

Bodenart

  • 10 cm Sandbodenschicht kann ca. 5 Liter Wasser pro qm den Pflanzen zur Verfügung stellen.
  • 10 cm Lehmbodenschicht kann ca. 22 Liter Wasser pro qm den Pflanzen zur Verfügung stellen.
  • Bei 10 cm Tonbodenschicht sind es ca. 13 Liter Wasser pro qm, die den Pflanzen zur Verfügung stehen.

Wassermenge und Häufigkeit des Gießens

  • Ältere Obstgehölze und gut eingewachsene Obstgehölze erfordern oft nur dann eine Zusatzbewässerung, wenn es zu längeren Trockenphasen von mehr als 2 Wochen kommt. Dann ist einmaliges Gießen einer größeren Wassermenge günstiger. Sie erfordern dann eine zusätzliche Menge von mindestens 50 Liter Wasser, besser aber mehr.
  • Junge Bäume und Bäume mit schwach wachsenden Unterlagen sollten in Trockenperioden wöchentlich einmal gegossen werden.

Vgl. Bayrische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, Bewässerung im Haus- und Kleingarten, Berichte der Gartenakademie, Heft 4, 1. Auflage, Veitshöchheim 2017, S.9 und 33

Beschattung von Obstbäumen durch unterschiedliche Obstbaumgrößen

Durch verschiedene Baumgrößen lassen sich zusätzliche Beschattungseffekte für kleinere Obstbäume erzielen. Soll beispielsweise eine Wiese mit Apfelbäumen auf mittelstark  wachsenden Unterlagen gepflanzt werden, so lassen sich mit der Zwischenpflanzung von Sorten, die zu großen Kronen neigen und auf Sämlingen veredelt sind, zu langandauernde Sonneneinstrahlungen vermeiden.

Bei Apfelbäumen triploide Sorten als Zwischenpflanzungen

Triploide Sorten wie beispielsweise Gravensteiner, Kaiser Wilhelm und Jakob Fischer mit ihren ausladenden, aber lockeren Kronen sind hierfür gut geeignet.

Beschattung von Obstbäumen durch die Nähe zu Wald und Gehölzflächen

Eine Regel besagt: mindestens 20 Meter vom Wald entfernt pflanzen. Das sollte auch beherzigt werden, damit das Kronengerüst nicht schief wächst.
Wenn man das berücksichtigt ergeben sich  – bedingt durch die neuen Klimaverhältnisse – einige Vorteile, Obstbäume in die Nähe von Wald oder anderen Gehölzflächen zu pflanzen:

  • Die Dauer der intensiven Sonneneinstrahlung im Sommer wird durch die Beschattung vermindert (es kommt dabei auf die Position der Schattengehölze/des Waldes an).
  • Durch die Schattenbäume in der unmittelbaren Nähe heizt sich die Luft auf der Streuobstwiese nicht so stark auf.
  • Die Versorgung mit Feuchtigkeit ist in Waldnähe besser (Morgentau, Nebel etc.). Bei anhaltend feuchter Witterung kann das allerdings auch nachteilig sein, da Pilzerkrankungen wie Schorf und Mehltau dann stärker auftreten können. Also sollte man in Waldnähe nur Bäume von Sorten pflanzen, die für ihre Robustheit gegenüber Mykosen bekannt sind.

Teilansicht des Streuobstsortengartens in Remscheid

Vor dem Klimawandel wurden die Bäume zur Maximierung der Sonneneinstrahlung in Nord-Südreihen gepflanzt. Die in der Wiesenmitte stehenden Gehölze hatten in den heißen und trockenen Sommern 2019 und 2020 am meisten unter Stress zu leiden, erhielten aber mehr zusätzliche Bewässerung. Trotzdem hatten sie ein geringeres  Holzwachstum aufzuweisen als die nah am Wald wachsenden Bäume.

Die in einer Entfernung von ca. 20 Metern zum westlichen Waldrand stehenden Bäume wuchsen am besten. Man sieht auf dem Foto dort auch sehr gut den Schattenwurf.  Sie dürfen nur nicht zu nah am Wald stehen, weil sie sonst schief zum Licht hin wachsen.

Neu angelegte, 1 Hektar große Streuobstwiese in Wermelskirchen

Zum obigen Foto: Die Sämlingshochstämme wurden 2019 eingepflanzt und nicht häufiger bewässert. Die Jungbäume der oberen Baumreihen hatten wegen der heißen und trockenen Sommer einen vergleichsweise geringen jährlichen Zuwachs. Der Zuwachs der Bäume in den beiden unteren Reihen war in den beiden Jahren doppelt so groß!

Beschattung von Obstbäumen durch die Richtung der Pflanzreihen

Bei einer Neuanlage einer Obstwiese, empfiehlt es sich, die Pflanzreihen in Ost – West – Richtung auszurichten, damit sich die Bäume der Pflanzreihe im Sommer vor- und nachmittags gegenseitig beschatten können.

Zusätzliche Pflanzung von Schattenbäumen

In Lücken zwischen Obstbäumen können Schattenbäume gepflanzt werden, wie z.B.

  • Ebereschen (schmaler Wuchs, begrenztes Höhenwachstum),
  • oder Birken (lichter Wuchs),
  • oder auch Apfelbäume mit breiten Kronen, die so geschnitten geschnitten bzw. erzogen wurden, dass sie lichtdurchlässig sind (z.B. Gravensteiner, Kaiser Wilhelm).

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des KOB Bavendorf
Copyright: KOB Bavendorf

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Man kann die Pflanzung von Bäumen so planen, dass sie sich für einige Stunden des Tages gegenseitig Schatten spenden. Dann sollte man die Baumreihen eher in eine Ost-West-Richtung verlaufen lassen.

Sonnenbrandschäden auf Obst als neues Phänomen

Foto: H.-J. Bannier

„Die heißen Tage in der letzten Obstsaison haben uns extreme Sonnenbrandschäden auf den Früchten beschert, d.h. die auf der Sonnenseite der Bäume hängenden Früchte heizen durch die Sonneneinstrahlung so stark auf, dass die Oberfläche mehr als 55°C. heiß wird und die Zellen zu “schmelzen” beginnen, so wie das auf dem beigefügten Foto zu sehen ist."

Bannier, Hans-Joachim, "Auswirkungen von Hitze und Trockenheit im Streuobstbau", Alte-Apfelsorten@web.de, 2019

Bei der Erziehung von Jungbäumen nach dem Oeschbergsystem werden nach dem Anschneiden der Leitäste alle nach oben/innen und stark seitlich weisenden Knospen ausgebrochen. Dadurch wird erreicht, dass die gesamte Wuchskraft in die nach außen gerichteten Knospen geleitet wird, und die Baumkrone entsprechend an Breitenwachstum zunimmt. Die obenliegenden Seiten der Leit- und Seitenäste weisen dann erst einmal keine Triebe auf und liegen erst einmal “blank”.

Trotzdem wächst an diesen Stellen im Laufe der Zeit aber doch wieder schwaches Fruchtholz mit geringen Neigungen zum Wachstum. Diese „ruhigen“ Triebe entfernen wir nicht: sie dienen dann Beschattung der Gerüstäste.

Kurzes Fruchtholz auf der Oberseite eines Starkastes

Schnittmaßnahmen bei älteren Bäumen, die einen zu geringen Zuwachs an Holzwachstum verzeichnen und kleine Früchte tragen, werden „Verjüngungsschnitt“ genannt.  Hauptziel des Verjüngungsschnittes ist es, mit der Verkürzung der Saftlaufbahn zwischen der Wurzel und den Leitastspitzen eine Förderung des Holzwachstums mit nachfolgender Verbesserung der Fruchtqualität zu erreichen.

Beim Verjüngungsschnitt sollte auch noch unterschieden werden, ob wir es

  • mit einer alten, aber ansonsten gut aufgebauten Oeschbergkrone zu tun haben
  • oder mit einem vernachlässigten Baum mit einer naturnahen überbauten Etagenkrone. In diesem Fall ist eine Umstellung der Kronenform mit gleichzeitiger Verjüngung – wenn überhaupt möglich – sehr viel aufwändiger und zieht sich meist über einen Zeitraum von mehreren Schnittperioden hin.

Auslichten

Vor der eigentlichen Verjüngung wird erst einmal ausgelichtet: kranke, dürre und quer, nach innen stehende oder sich überkreuzende Äste werden weggeschnitten, so dass wieder mehr Licht in die Krone kommt.

Auswechseln des Fruchtholzes

Stark nach unten zeigendes Fruchtholz wird entfernt. Ständertriebe an der Oberseite der Seitenäste werden entfernt, einige, die leicht nach außen zeigen, werden belassen und neigen sich durch den späteren Fruchtbehang bogenförmig nach unten.

Behandlung der Leitäste und der Stammverlängerung

Dann werden im Zuge der Verjüngung die Stammverlängerung, die Leit- und die Seitenäste stark ins alte Holz zurückgeschnitten und auf einen Holztrieb (dem so genannten „Zugholz“) abgeleitet, damit im nächsten Frühjahr ein geordneter, aber kräftiger Wachstumszuwachs erfolgen kann.

Leitäste, die durch die Fruchtlast zu weit nach unten gesunken sind, können durch die Auswahl eines nach oben wachsenden Triebes wieder steiler aufgebaut werden.

Ableiten eines Seitenastes beim Verjüngungsschnitt. Foto: Rolf Meyer

Ziele des Verjüngungsschnittes sind die erneute Förderung von Holzwachstum n Stammnähe, die Vergrößerung der Blattmasse und die nachfolgende Verbesserung der Fruchtqualität.

1. Entfernung des Konkurrenztriebes der Stammverlängerung

Nach der Prüfung des Baumschulmaterials, dem Einpflanzen und dem Fixieren des Stammes an einen oder mehreren Pfählen können wir zu den Schnitt- und Formierungsmaßnahmen übergehen:
Der Konkurrenztrieb (das ist der Seitentrieb, der der Mitte am nächsten steht) wird als erstes entfernt. Wie schon der Name sagt, würde der Trieb eine zu starke Konkurrenz zur Mitte bilden. Meist wächst dieser Trieb auch nicht im gewünschten 45-60 Grad-Winkel zum Stamm, sondern steiler.

2. Auswahl und Formieren der Leitäste

Wenn vorhanden, werden 4-5 Triebe als künftige Leitäste ausgesucht, die

  • jeweils mindestens 10 cm in der Höhe voneinander entfernt  austreiben,
  • möglichst in verschiedene Richtungen zeigen
  • und in einem Winkel von 45° von der Stammverlängerung abgehen.

Steht ein Leitast zu steil, kann man ihn durch Spreizen in die richtige Position bringen, steht ein Leitast zu flach, lässt er sich hochbinden. 

Wir können später noch neue Leitäste aus der Stammverlängerung ziehen.

3. Entfernen nicht benötigter Äste

Schlitzäste und steil stehende Triebe, die nicht für den Kronenaufbau benötigt werden, können wir entfernen. Untergeordnete kurze waagerechte Triebe können unangeschnitten als so genannte „Zugäste“ belassen werden.

4. Erst danach Anschneiden auf eine äußere Knospe

Erst nachdem die Leitäste – bei Bedarf – in die richtige Position gebracht worden sind, werden sie angeschnitten: ca. 1/3 bis 2/3 der Trieblänge wird bis auf eine gerade nach außen weisende Knospe. Wenn möglich, sollten die Leitäste auf „Astwaage“ geschnitten, d.h., in der gleichen Höhe gekappt werden.

5. Ausbrechen nicht benötigter Knospen

Nach dem Einkürzen der ausgewählten Leitäste werden die nach innen/oben und stark zur Seite weisenden Knospen ausgebrochen. Diese werden für das Wachstum nicht benötig, würden aber austreiben und damit Wachstumskraft wegnehmen. Spätestens beim Schnitt im folgenden Jahr müssten diese Triebe dann sowieso entfernt werden.
Wir können auch jetzt schon die zweite, unter unserer „Anschnittsknospe“ befindliche, nach außen weisende „Konkurrenz-Knospe“ entfernen: diese wird sich sonst zum Konkurrenztrieb entwickeln, den wir auch im nächsten Jahr entfernen müssten.

6. Anschneiden der Stammverlängerung

Der Mitteltrieb wird kurz über einem Auge angeschnitten, ca. eine Scherenlänge höher als die ausgewählten Leitäste. Wie bei den Leitästen auch, sollte die Länge des Rückschnittes ca. 1/3 bis 2/3 der Trieblänge betragen.

Bei einer geraden Stammverlängerung ist es egal, in welche Richtung die Knospe angeht, auf die wir anschneiden. Neigt sich die Stammverlängerung leicht zu einer Seite, können wir auf eine Knospe der gegenüberliegenden Seite anschneiden, um den geringen Schiefstand auszugleichen.

Auch bei der Stammverlängerung können wir direkt nach dem Anschneiden die direkt unter der Anschnittknospe liegende Konkurrenzknospe entfernen.

Hochstamm von der Baumschule, Bildquelle: Groh, Obstbaumschnitt, 1951

Nach dem Pflanzschnitt, Bildquelle: Groh, Obstbaumschnitt, 1951

Gerade am Anfang der Erziehung ist diese Arbeit des Pflanzschnittes enorm wichtig, da ein späteres Eingreifen immer schwieriger wird.

Ein altes Heilmittel für Baumwunden: Lehm

Auszug aus einem Beitrag von Hans-Joachim Bannier

Große Schnittwunden, durch Frostrisse aufgeplatzte Rinde, von Schafen oder Feldhasen angefressene oder geschälte Stämme – immer wieder stellt sich bei Wunden an Obstbäumen die Frage, ob sie durch ein Wundverschlussmittel geschützt werden sollten.

Wundverschlussmittel auf Kunststoffbasis befriedigen nicht

Die heutigen auf dem Markt erhältlichen Wundverschlussmittel bestehen meist aus schnell trocknenden Kunststoffen. Auf die Wunden aufgetragen sollen diese den Verlust von Feuchtigkeit verhindern und gleichzeitig das Eindringen von Pilzen in die Wunden verhindern.
Der aufgetragene Anstrich reißt allerdings oft schon nach wenigen Monaten wieder auf – mit einem fatalen Effekt: Durch die Risse dringt Feuchtigkeit ein, und da es unter dem Anstrich bei Sonneneinstrahlung besonders warm wird, gedeihen Schadpilze jetzt besonders gut. Viele Fachleute empfehlen daher inzwischen, Baumwunden gar nicht zu behandeln

Auch Mittel auf Harz- oder Wachsbasis befriedigen in der Praxis nicht. Zum einen sind sie oft nicht kalt verstreichbar, zum anderen fangen sie unter starker Sonneneinstrahlung bzw. Erwärmung im Sommer auch schon mal an zu verlaufen und können in einer Art Brennglaseffekt die Rinde schädigen. Im Erwerbsobstbau wiederum werden Mittel verwendet, die Kupfer oder chemische Fungizide enthalten, was im privaten Garten nicht immer gewünscht ist. Frisch verletzte Straßenbäume (nach Auto-Kollisionen) werden heute immer häufiger einfach nur mit einer Plastikfolie umwickelt. Dieses Verfahren ist jedoch nur dann effektiv, wenn der Anfahrschaden noch ganz frisch und die Kambiumschicht des Baumes (die Schicht zwischen Rinde und Holz) noch nicht ausgetrocknet ist.

Die natürliche Alternative bei Baumwunden: nasser Lehm

Ganz in Vergessenheit geraten ist dagegen die Wirkung eines Mittels, das sich jeder Gartenbesitzer selbst herstellen kann: Eine dick aufgetragene Schicht nassen Lehms – gehalten von einer Bandage aus Jute oder Stoff – fördert die Heilung von Baumwunden aller Art unvergleichlich besser.
Bei älteren Wunden schneidet man dazu die Wundränder neu an, um die Bildung von Wundkallus anzuregen.
Optimal für solche Behandlungen ist reiner Lehm. In alten Büchern findet man auch schon mal Hinweise auf weitere ‚Zutaten’ wie z.B. Kuhfladen (vom Verfasser bisher noch nicht getestet). Hat man keinen reinen Lehm zur Hand, tut’s im Notfall aber auch mal die mit etwas Wasser angerührte Erde eines Maulwurfhaufens. Sandige Erde oder nicht vollständig verrottete Komposterde dagegen sollte man nicht verwenden.

Foto: Hans-Joachim Bannier

Probe aufs Exempel: An weinem jungen Ahorn wird Rinde entnommen…und ein Teil der offenen Wunden mit Lehm verstrichen.

 

Foto: Hans Joachim Bannier

Die Wunde oben rechts bleibt offen.

 

Foto Hans-Joachim Bannier

Neue Rindenbildung auf den eingelehmten Flächen noch im selben Jahr, auf der offen gebliebenen Fläche nicht.

 

Foto: Hans-Joachim Bannier

Dieselben Baumwunden drei Jahre später. Vollständige Verheilung auf den eingelehmten Flächen, unvollständige Überwallung auf dem nicht eingelehmten Areal.

Folgen von Tierverbiss

Selbst wenn Schafe im Sommer über Nacht die Rinde eines Baumes komplett geschält haben, muss dieser noch nicht verloren sein: Ist der Schaden noch frisch, befindet sich i.d.R. noch Kambium auf dem Holz – jene glasig aussehende feine Schicht, deren Zellen sich sowohl zu Rinde als auch zu Holz umbilden können. Packt man einen solchen entrindeten Baum unverzüglich mit einer dicken Lehmschicht ein, kann die noch feuchte Kambiumschicht eine völlig neue Rinde ausbilden. Entscheidend ist dabei, schnell zu reagieren!

Foto: Hans-Joachim Bannier

Ein von Schafen geschälter Obstbaum…

 

Foto: Hans-Joachim Bannier

…wird eingelehmt und mit einer Bandage versehen

 

Foto: Hans-Joachim Bannier

Es hat sich neue Rinde gebildet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein zu frühes Blütestadium ist eines der Hauptprobleme bei der Jungbaumerziehung, denn es gilt: je mehr die Bäume blühen, desto weniger wachsen sie. Durch die Blüte erfolgt eine hormonelle, wachstumshemmende Umstellung.
Einige Sorten gelten per se als „Jungbaumblüher“. Bei ihnen ist es ziemlich aufwändig, die Blüte in jedem ihrer ersten Lebensjahre zu unterdrücken. Andere hin-gen, wie z.B. der Gravensteiner, haben damit weniger Probleme.
Es gilt also, zu frühes Blühen junger Bäume durch Entfernung der Blüten zu unterbinden. Statt dessen soll die Bildung von Blattmasse gefördert und damit das Holzwachstum angeregt werden.

Technik der Blütenentfernung

Die Blüten oder kleinen Früchte werden am besten mit einer Schere abgeschnitten. Knipst man sie mit den Fingernägeln ab, so läuft man in Gefahr, dass man die gesamte Knospe vom Zweig reißt. Neben jedem Blütenkranz wächst ein kleiner Blatttrieb, den wir – wenn möglich – stehen lassen.

Abschneiden der Blüten/jungen Früchte mit einer kleinen Schere

Den Blatttrieb (rechts) versuchen wir möglichst, stehen zu lassen.

Entfernung der Blüten zur Anregung des Wachstums

Das Problem des zu frühen Blütestadiums tritt aber nicht nur sortenbedingt auf, sondern auch als Folge von Stress und mangelndem Wachstum. Bäume, die schlecht versorgt werden und nicht wachsen, wollen sich durch eine Notblüte reproduzieren.

Dreijähriger MM-106 Halbstamm wurde wegen mangelnden Wachstums stark ins alte Holz zurückgeschnitten. Alle Blüten müssen sorgfältig entfernt werden, die Blatttriebe verbleiben. Bei guter Versorgung wird es zu einem Wachstumsschub der wenigen verbliebenen Triebe kommen.

Mehrjähriger Alkmenehochstamm: wächst nicht, blüht nur.

Nach der Entfernung aller Blüten.

Entfernung der Blüten/Früchte aus statischen Gründen

Wie schon erwähnt, haben viele jüngeren Leit- und Seitenäste in ihren oberen Bereichen keine Stabilität, um dort schon Früchte zu tragen, ohne sich umzubiegen. In diesem Fall entfernen wir die Blüten/kleinen Früchte im oberen Bereich. Wenn wir uns weiter nach unten arbeiten, prüfen wir mit dem Finger, wo die Äste schon stabil genug für das Fruchtgewicht sind. Dort können wir dann die Blüten stehen lassen.

Solche Seitenäste sollten an ihrer Spitze noch keine Früchte tragen.

Statikprüfung mit dem Finger

Bei den oberen beiden Seitenästen sind alle Blüten entfernt worden. Der untere Seitenast ist schon stark genug, um die meisten Früchte tragen zu können.

Ausdünnen von Blüten/Früchten

Zur Verbesserung der der Fruchtqualitäten und zur Verhinderung von Alternanzen ist das Ausdünnen von Blüten bzw. Früchten ein probates, aber arbeitsintensives Mittel.

 

In Anlehnung an einen Beitrag von Markus Zehnder “Düngung von Streuobstwiesen”, 2010, a.a.O., 

Früher war es üblich, Obstbäume auf den Streuobstwiesen regelmäßig zu düngen. Mit der nachlassenden Wirtschaftlichkeit wurde auch auf die Düngung der Hochstämme verzichtet, sodass in vielen Streuobstwiesen der Nährstoffverlust durch Obst- und Grasernte seit Jahrzehnten nicht mehr ausgeglichen wird. Dies hat auf vielen Flächen zwar zu artenreichem Magerrasen, aber auch zu chronisch hungernden Bäumen geführt.

Der Trend aus Naturschutzkreisen: Verzicht auf Düngung

Heute wird die Düngung von Obstbäumen auf Streuobstwiesen wenn überhaupt, dann nur am Rande thematisiert. Aus Naturschutzkreisen wird oft für eine “Aushagerung” der Wiesen durch einen Verzicht auf Düngung geworben, in manchen Kompensationsprojekten sogar festgeschrieben.

Untersuchungen belegen: Obstbäume benötigen Dünger

Ergebnisse einer breit angelegten Untersuchung aus Baden-Württemberg belegen deutlich, dass in den meisten der untersuchten Streuobstflächen die verfügbaren Nährstoffe den erforderlichen Bedarf der Bäume bei weitem nicht abdecken. Es muss somit davon ausgegangen werden, dass die schlechte Nährstoffversorgung mitverantwortlich ist für die mangelhafte Vitalität von Obstbäumen im Streuobstbau. Neben einer fachgerechten Kronenpflege durch Erhaltungs­ oder Erneuerungsschnitt können gezielte Düngemaßnahmen zur Vitalisierung der Bäume führen.

Der Nährstoffentzug

Der Nährstoffentzug je Hektar Streuobstwiese bei zwei Schnitten pro Jahr und Abtransport der Mahd liegt bei mindestens

  • 25 kg Phosphor,
  • 60 kg Kalium
  • und 100 kg Stickstoff.

Durch die Obsternte werden bei den Bäumen, die auf einem Hektar Streuobstwiese stehen, in etwa folgende Nährstoffmengen entzogen:

  • 12 kg Phosphor,
  • 76 kg Kalium
  • und 44 kg Stickstoff.

Vor der Düngung ist eine Bodenprobe empfehlenswert

Vor einer ersten Düngung sollte eine Bodenuntersuchung erfolgen, um gezielte Düngergaben zu ermöglichen. Dabei sollten die Bodentiefen 0 – 20 cm und 20 – 50 cm getrennt beprobt werden.

Bei Streuobstbäumen nicht flächenbezogene, sondern baumbezogene Düngung

Auf Obstbaumwiesen sollte die Düngung nicht flächig, sondern baumbezogen er-folgen. Da die Nährstoffe lediglich von den Feinwurzeln aufgenommen werden und diese überwiegend im Bereich des Kronentraufs sind, erfolgt die Düngung nicht am Stamm, sondern im Bereich des Kronentraufs. Die Freifläche kann ungedüngt bleiben.
Dies kann auch erreicht werden, indem die Baumreihen regelmäßig gemulcht und die Freiflächen nach traditioneller Art bewirtschaftet werden. So wird gewährleistet, dass die Nährstoff e im Bereich der Baumwurzeln auf der Fläche verbleiben.

Organische oder mineralische Düngung bei Streuobst-Bäumen?

Zehnder schreibt hierzu: “Die Frage, ob organisch oder mineralisch gedüngt werden soll, kann hier nicht ab­ schließend beurteilt werden. Es gilt aber zu bedenken, dass es mit organischen Düngern ungleich schwieriger ist, gezielt Mangelzustände zu beheben. Festmist und Kompost stehen meist nicht in ausreichender Menge zur Verfügung und können nicht gezielt gegen Mangelzustände einzelner Nährstoffe eingesetzt werden.

Die im Handel befindlichen biologischen Fertigprodukte (z.B. Hornmehl, Hornspäne, Guano) sind kaum erfolgreich einsetzbar, weil es erst durch einen Bodenkontakt zur Freisetzung der Nährstoffe kommt, was auf Streuobst­ wiesen nur auf offenen Baumscheiben gewährleistet ist.”

Zeitpunkt der Düngung

Zehnder: “Der Zeitpunkt der Düngung sollte so gewählt werden, dass die Nährstoffe nicht in erster Linie dem Gras, sondern den Baumwurzeln zugutekommen:

  • Die schwer löslichen Nährstoffe Phosphor, Kalium, Calcium und Magnesium werden selbst durch Niederschläge und Schmelzwasser nur langsam in tiefere Bodenschichten verlagert. Deshalb sollt en sie bereits im Spätherbst ausgebracht werden.
  • Stickstoff ist zumindest als Nitrat leicht löslich und kann ausgewaschen werden. Deshalb sollte Stickstoff – falls überhaupt  erforderlich  – erst mit Beginn der Vegetation im März ausgebracht werden.
  • Düngegaben ab beginnender Baumblüte kommen in erster Linie dem Gras zugute.”

Düngungsempfehlungen

Für Wiesen bei zweimaligem Mähen und Abtransport der Mahd

REINNÄHRSTOFFE GEHALT Bodenprobe 
(mg pro 100g Boden)
DÜNGUNG
kg pro Hektar
Phosphor unter 10
10-15
50
30
Kalium unter 15
15-25
150
80-100
Magnesium unter 10
10-15
50
30

Für Obstbäume

BAUMALTER EMPFOHLENE
DÜNGERMENGE
ZEITPUNKT
Jungbaum –
Düngung auf Baumscheibe 2m
150-200 Gramm organischer oder mineralischer Volldünger März
  oder 150 Gramm Hornmehl + 2 kg Stallmist / Kompost März
Altbaum –
Düngung auf Kronentraufe 50 qm
5-10 kg organischer oder mineralischer Volldünger März
  oder 2 kg Hornmehl + 100 kg Stallmist / Kompost November
  oder 7 kg Thomaskali + 2 kg Kalkammonsalpeter März

vgl. Markus Zehnder, “Düngung von Streuobstwiesen”, in Jahresheft des Pomologenverein 2010, S. 33-37

 

 

 

 

Graben eines Pflanzloches von 70 cm Tiefe und 100 cm Durchmesser. Beim Einpflanzen mehrerer Bäume empfiehlt sich der Einsatz eines Baggers oder eines Erdbohrers (siehe Foto). Es gibt Erdbohrer für Traktoren mit mehr als 100 cm Durchmesser (www.deitmer-maschinenbau.de oder www.damcon-maschinen.de). Man kann das Loch natürlich auch mit einer kleineren Grabschraube, einem Bagger oder per Hand mit einem Spaten ausheben.

Foto und Copyright: Rolf Meyer

 

Das ist das durch einen Erdbohrer gegrabene, 70 cm tiefe Pflanzloch. Vorteilhaft ist es, die glatten und verdichteten Seitenwände etwas aufzurauen, damit später die Wurzeln dort besser einwachsen können. Ob zuerst der Drahtzylinder eingesetzt wird und die Pfähle innerhalb des Zylinders kommen oder erst die Pfähle und dann der Zylinder, ist eigentlich egal, da man sehr viel Raum zur Verfügung hat.

Foto und Copyright: Rolf Meyer

 

Hier ist eine Rolle verzinktes Drahtgeflecht, 13 mm Maschenweite in 150 cm Breite ausgelegt. Für jeden Drahtzylinder benötigen wir ein ca. 330 cm langes Stück.

Foto und Copyright: Rolf Meyer

 

Nach Einsetzen des Drahtgeflechts ragt es 80 cm aus dem Boden heraus. Hier wurde es so eingesetzt, dass die Drahtüberlappung an einen der Pfähle angetackert werden kann. Das Loch kann jetzt wieder mit Erde verfüllt werden.

Foto und Copyright: Rolf Meyer

 

Wir pflanzen den Baum so, dass er 5-10 cm über dem Bodenniveau sitzt. Da sich die Erde im Laufe der Zeit noch etwas verdichtet, wird der Baum dann um einige cm absinken. Die Veredelungsstelle sollte sich 10 cm oberhalb des Erdreiches befinden. Zur Befestigung des Stammes wurden hier schwarze, breite Fixierbänder angetackert. Für den Stammschutz (gegen Wildverbiss) wurde Schilfmatten genutzt. Die drei Pfähle wurden mit Holzlatten miteinander verbunden.

Foto und Copyright: Rolf Meyer

 

Unten wurde eine dünne Schicht Kompost aufgetragen, darüber kam eine Kokosmatte.

Foto und Copyright: Rolf Meyer

 

Der junge Obstbaum ist gepflanzt

Foto und Copyright: Rolf Meyer

 

Anlage einer 1,8 Hektar großen Streuobstwiese mit 80 Hochstämmen der Sorte Kaiser Wilhelm und Rheinischer Bohnapfel für die Herstellung von sortenreinem Apfelsaft. Für eine gute Befruchtung wurden als Zwischenpflanzung einige andere Sorten gepflanzt. Es wurden sehr große Pflanzabstände zwischen den Reihen gewählt, damit große Mähmaschinen noch Platz haben.

Foto und Copyright: Rolf Meyer

 

Der Angriff der Wühlmäuse ist in vollem Gange. Doch gegen den 70 cm tief in die Erde eingegrabenen Drahtzylinder haben sie keine Chance.

Foto und Copyright: Rolf Meyer

 

Auf diesem Bild sieht man Pflanzungen von Viertelstämmen auf mittelstark wachsenden Unterlagen (MM 106) nach der gleichen Methode. Stammbefestigung mit zwei Pfählen und Kokosseilen. Der Stamm braucht bei unserem Beispiel nicht zusätzlich durch eine Drahthose oder Schilfmatte vor Rehverbiss geschützt zu werden, weil das Gelände mit Wildschutzdraht eingezäunt ist. Ohne Umzäunung wäre ein Stammschutz unumgänglich.

Foto und Copyright: Rolf Meyer

Selbst gebastelt

Selbst gebastelter, runder Drahtkorb mit einem Meter Höhe und 1 m Durchmesser:

Drahtgeflechtkorb selbst gebaut für die Obstbaumpflanzung. Zeichnung Rolf Meyer, in Anlehnung an Zehnder/Weller: “Streuobstbau”

Wir benötigen:

  • ein Stück Drahtgeflechtzaun, 13 mm Maschenweite, 1 x 1 m,
  • und ein Stück Drahtgeflechtzaun, Maschenweite 13 mm,  1 x 3,2 m.

Vorgehensweise:

  • Das 1 x 1 m – Stück legen wir auf den Boden.
  • Das lange Stück wird in Kreisform auf diesen Boden gestellt und der Kreis geschlossen, indem wir beide Enden etwas überlappen und mit verzinktem Draht zusammenbinden.
  • Dann biegen wir die Kanten des 1 x 1 m großen Stückes hoch und binden diese mit Draht an das Kreisstück.
  • Nun haben wir einen runden Drahtkorb von 1 m Durchmesser und 1 m Höhe. Wenn wir ihn in ein 50 cm tiefes Loch setzen, ragt er noch 50 cm über den Boden hinaus. Dann können wir ihn nach innen in Richtung Baumstamm knicken, und der obere Boden ist auch geschützt.

Gekaufter Drahtgeflechtkorb

Fertige Körbe gibt es im Fachhandel zu kaufen. Empfohlen werden kann der große eckige Drahtgeflechtkorb (80 x 80 x 80) der Fa. Peter Überall. Dieser kann im Internet unter www.wuehlmaus-stop.de bestellt werden. Er wird allerdings nur mit unverzinktem Drahtgeflecht angeboten.

Wühlmausschutz mit gekauftem Drahtgeflechtkorb, 80 cm Durchmesser, Bild- und Bezugsquelle: www.wuehlmaus-stop.de

Wühlmäuse können zum Problem für Obstbäume werden. Besonders die Wurzeln der Apfelbäume werden im Winter gerne gefressen. Bei starken Populationen können sie auch 15-jährige Bäume noch zum Absterben bringen. Erfahrungsgemäß gibt es dann über die Jahre zusammengerechnet Ausfallquoten bis zu 30 % und mehr. Darüber können sich eigentlich nur die Baumschulen freuen…

Deshalb sind vor dem Einpflanzen Überlegungen notwendig, wie man die Wurzeln vor Wühlmäusen schützen kann.

Wie können Obstbaumwurzeln auch ohne den Schutz vor Wühlmäusen überleben?

Je stärker die Wuchskraft, desto besser kann ein Obstbaum Wühlmausschäden ausgleichen. Bezogen auf Apfelunterlagen und Apfelsorten heißt das:

  • Auf Sämlingen veredelte Hochstämme triploider Apfelsorten (Gravensteiner, Kaiser Wilhelm, Jakob Fischer u.v.a.) wachsen – auch im Wurzelbereich – am stärksten und können anfängliche Wühlmausschäden noch am besten verkraften.
  • Auf Sämlingen veredelte Hochstämme diploider Sorten (die meisten Apfelsorten) haben schon erheblich mehr Probleme mit Wühlmausverbiss an den Wurzeln. Diese Bäume kränkeln nach der Schädigung jahrelang vor sich hin. Man kann sie aber durch gezielte Maßnahmen (Wühlmausfallen, Baumscheiben, Zusatzdüngung, Schnittmaßnahmen) über Jahre wieder aufpäppeln. Voraussetzung ist natürlich, dass die Wühlmäuse den Wurzeln fern bleiben: und das ist eher unwahrscheinlich.
  • Obstbäume, die auf mittelstark oder schwach wachsenden Unterlagen veredelt wurden, können sich nach ausgiebigem Verbiss kaum mehr erholen: die Wurzeln wachsen nicht schnell genug nach, und der Baum kann nicht mehr richtig ernährt werden.

Keine Pflanzung ohne Wurzelschutz!

Ein wichtiges Arbeitsgerät

Die Felco-Astschere ist ein Qualitätsprodukt aus der Schweiz eine der beliebtesten Obstbaumscheren. Zur Pflege (Putzen. Ölen, Schleifen) lässt sie sich komplett auseinander nehmen. Teile, wie z.B. die Feder lassen sich einzeln nachbestellen. Es gibt sie in mehreren Ausführungen, sogar für Linkshänder. Auf dem Foto ist die Felco 6 abgebildet.

Der Obstbaumschnitt

Erst einmal erhält der junge Baum nach dem Einpflanzen den ersten Schnitt, den so genannten "Pflanzschnitt". Hierbei wird schon die spätere Kronenform grundlegend festgelegt. Mit "Erziehungsschnitt" bezeichnen wir die Schnitt- und Formierungsmaßnahmen in den ersten Lebensjahren des jungen Baumes, bis sich sein endgültiges Verzweigungsgerüst ausgebildet hat. In dieser Zeit wächst der Baum sehr stark. Danach kommt der Obstbaum in die Ertragsphase, und das Holzwachstum wird schwächer. Dann kommt bei Bedarf der so genannte "Überwachungsschnitt" oder auch "Erhaltungsschnitt" zum Einsatz. Wenn der jährliche Neuaustrieb an den Zweigspitzen nur noch gering ausfällt, und die Früchte kleiner werden, ist es Zeit für einen Verjüngungsschnitt. 

Obstbaumpflege

Obstgehölze benötigen Pflege. Besonders nach behördlich verordneten Ausgleichsmaßnahmen geschieht ein paar Jahre nach der Pflanzung entweder gar nichts mehr, oder die Obstbäume werden unfachfrauisch geschnitten und übrig bleiben traurige Gestalten auf den Streuobstwiesen.

Was ist der beste Wühlmausschutz?

Darüber streiten sich die Experten seit Jahrzehnten und kommen zu keinem übereinstimmenden Ergebnis. Wir können hier nur berichten, was wir im Bergischen Streuobstwiesenverein favorisieren:

Hartmut Brückner, unser Vereinsvorsitzender pflanzt am liebsten in Rollkies. Die Bäume wachsen gut an, zumindest der innere Wurzelbereich wird durch den Kies geschützt.

Die Methode meiner Wahl ist die Pflanzung in einen unten offenen verzinkten Drahtzylinder. Jan Bade, ein bekannter und erfahrener Pomologe aus Kaufungen, hat schon seit Jahrzehnten gute Erfahrungen damit gemacht. Nach seiner Aussage sind die von vielen Kollegen befürchteten Einschnürungseffekte ausgeblieben, da die dicke Hauptwurzel frei nach unten wachsen kann.

Rolf Meyer

Durchführung: Gartenbau/Baumschule Plückebaum, Remscheid

Erhaltungsschnitt

Nach dem Pflanzschnitt und dem alljährlichen Erziehungsschnitt sollte nach ca. 10-15 Jahren das Gerüst des Sämlingshochstammes stabil genug sein, um die Früchte tragen zu können. Ein jährliches, mehr oder weniger starkes Einkürzen der Gerüstäste kann jetzt unterbleiben. Dadurch beruhigt sich der Baum im Wachstum  und wird zum Fruchten gebracht.

Der Erhaltungsschnitt in Grundzügen:

  • Kontrolle, ob die vorgesehene Kronenform auch beibehalten wird (Entfernung von störenden Ästen und ein evtl. zeitweiliges Abstützen zu dünner, heruntergesunkener Leitäste),
  • Kontrolle, dass die spindelartige Struktur des Mitteltriebs bestehen bleibt. D.h., die Seitenäste des Mitteltriebes dürfen nicht zu steil und zu stark wachsen, weil sie sonst die weiter unten abgehenden Leitäste beschatten: Herunterbinden (Flachstellen) oder Ableiten auf einen Fruchttrieb sind hier die Mittel der Wahl.
  • Ggf. wird herabgesunkenes, altes Fruchtholz weggeschnitten und durch neues Fruchtholz ersetzt werden muss.
  • Leichte Einkürzungen der Leitäste und der Leitast-Seitenäste  können vorgenommen werden, am besten über ein Ableiten.

Die Erhaltung der ursprünglichen Kronenform und die Schaffung einer Balance zwischen Holzwachstum und Fruchtförderung sind die Ziele des Erhaltungsschnittes.

 

In dem folgenden Artikel stellen wir den Erziehungsschnitt von Oeschberg-Kronen vor. Hochstämme auf stark wachsenden und Halbstämme auf mittelstark wachsenden Unterlagen können wir nach dieser Methode formieren.

1. Ziel des Erziehungsschnittes

Das eigentliche Ziel des Erziehungsschnittes ist die Formierung einer möglichst hohen, breiten und stabilen Baumkrone innerhalb kurzer Zeit.

Förderung des Dickenwachstums
Durch jährliches Anschneiden der Stammverlängerung, der Leit- und der sich bildenden Seitenäste werden diese „Stützen“ der Baumkrone im Dickenwachstum gestärkt, so dass sie später im Ertragsalter die Fruchtlast auch tragen können.

Förderung des Höhenwachstums
Durch den jährlichen kräftigen Rückschnitt wird ein starkes Holzwachstum im oberen Teil der Krone erreicht. Der Höhenzuwachs eines vitalen Apfelbaums auf Sämlingsunterlage kann jährlich mehr als einen Meter betragen.

Förderung des Breitenwachstums
Durch die optimal schräge Wuchsrichtung der Leitäste (45 Grad) und die nach außen abgehenden Seitenäste (an den Leitästen) erreichen wir ein gutes Breitenwachstum der Krone.

2. Die Kronenform 

Die Form der Oeschberg-Krone ist klar strukturiert: Der Obstbaum hat einen Mitteltrieb (Stammverlängerung) und vier bis fünf Leitäste, die optimalerweise in einem Winkel von 45 ° wachsen. Aus den Leitästen und dem Mitteltrieb entspringen die Seitenäste, die das Fruchtholz tragen. Diese grundlegende Kronenform gilt es beim Erziehungsschnitt aufzubauen. 

 

Das Bild eines fünfjährigen Kirschbaumes zeigt die Kronenform nach dem Erziehungsschnitt

Erziehungsschnitt nach der Öschberg-Palmer-Methode: vom Mitteltrieb und den 4 Leitästen gehen längere Seitenäste ab. Foto: Bieri 1949

3. Was wird bei der Kronenerziehung geschnitten?

Geschnitten werden jeweils 1/3 bis 2/3 des jährlichen Zuwachses und zwar an

  • der Spitze des Mitteltriebes,
  • den Spitzen der Leitäste
  • und den Spitzen der Leitast-Seitenäste. 

 

  • 1 = Mitteltrieb (Stammverlängerung): jährliches Einkürzen.
  • 2 = Leitäste: jährliches Einkürzen.
  • 3 = Seitenäste der Leitäste: jährliches Einkürzen.
  • 4 = Seitenäste der Stammverlängerung: flach halten durch Herunterbinden oder ableiten auf Fruchtholz. Dadurch Wachstumsberuhigung. Nur steile Äste werden weggeschnitten.
  • 5 = kurzes und langes Fruchtholz: nicht anschneiden.

4. Wie wird geschnitten?

Leitäste- und Leitast-Seitenäste werden normalerweise auf eine Außenknospe angeschnitten. Danach werden alle nach oben (innen) und stark seitwärts weisenden Knospen ausgebrochen. Die ganze Wuchskraft soll in die nach außen gerichteten Knospen gelenkt werden (wie schon beim Pflanzschnitt).

Die Seitenäste der Stammverlängerung sollen wie bei einer schlanken Spindel, flach bleiben. Würden wir sie steiler wachsen lassen, dann würden sie mit der Zeit zur Konkurrenz für die Leitäste werden. 

Erziehung der Stammverlängerung zu einer schlanken Spindel

 

Merke: Beim Erziehungsschnitt schneiden wir das Fruchtholz möglichst nicht an.

Entfernt werden außerdem, wenn vorhanden

  • Konkurrenztriebe
  • steil nach oben/innen weisende Triebe. 

Steiler Leitast (jährlich ansschneiden), garniert mit dickeren Seitenästen (jährlich anschneiden) und – davon abgehend – dünneren Fruchtästen (nicht anschneiden) Foto: Bieri 1949

4. Wann wird der Erziehungsschnitt durchgeführt?

In der Erziehungsphase des Baumes regelmäßig im Winter , um die Kronenform aufzubauen und die Gerüstäste (Leitäste/Seitenäste) zu verdicken. Ein frühzeitiges Fruchten sollte durch Entfernung der Blüten verhindert werden.

Abgeschlossen sein sollte der Erziehungsschnitt, wenn das Kronengerüst stabil genug ist, um in der Ertragsphase das Fruchtgewicht tragen zu können:

  • bei einem Baum auf stark wachsender Sämlingsunterlage nach 10-15 Jahren,
  • bei einem Baum auf mittelstark wachsender Unterlage nach 5-7 Jahren.

Erziehungsschnitt = jährlicher Winterschnitt = Förderung des Holzwachstums und Stabilisierung des Kronengerüstes.

Bei dieser Methode gibt es mehrere Besonderheiten:

  1. Der Zylinder ist aus verzinktem Drahtgeflecht (Hühnerdraht/Sechseckgeflecht), 13 mm Maschenweite.
  2. Er ist nach oben und unten hin offen.
  3. Er reicht 70 cm tief in das Pflanzloch. Wühlmäuse graben nur bis zu einer Tiefe von ca. 50-60 cm. Das Drahtgeflecht sollte 70-80 cm aus dem Boden herausragen, damit die Wühlmäuse nicht ins Innere klettern können. Bei Bedarf lässt sich das überstehende Geflecht nach innen um den Stamm biegen. Da man aber nach einiger Zeit regelmäßig das Unkraut auf der Baumscheibe entfernen sollte, müsste der Draht dann häufiger wieder hoch- und anschließend wieder zurückgebogen werden. Dadurch würde das Geflecht an der Biegestelle nach einger Zeit brechen. Deshalb ist es m.A.n. besser, das überstehende Geflecht senkrecht stehen zu lassen.
  4. Natürlich werden seitlich aus dem Draht heraus wachsende Wurzeln auch abgefressen. Aber Obstbäume sind bei Bedarf in der Lage, von den senkrecht wachsenden Wurzeln ausgehend eine zweite, tiefer gelegene horizontale Wurzelebene zu bilden. Dort kommen die Wühlmäuse nicht mehr hin. Von dieser zweiten Ebene aus können dann senkrechte Wurzeln zu den weiter oben gelegenen, nährstoffreicheren Bereichen wachsen. Vgl. V.Kollesnikow, “Rootsystems oft Fruit-Plants”, Mir Publishers, Moscow 1971, S.52,  https://archive.org/stream/KolesnikovTheRootSystemOfFruitPlants/Kolesnikov-The-Root-System-Of-Fruit-Plants#page/n5/mode/2up

Die einfache Variante

Pflanzlöcher 70 cm tief, 50 cm Durchmesser, Drahtgeflecht 80 cm über dem Boden endend.

Wir benötigen:

  • eine Rolle dünnen verzinkten Maschendraht, Maschenweite 13 mm, 150 cm hoch. Davon müssen wir Stücke, ausreichend für den Umfang abschneiden: 50 cm (Durchmesser) x pi (ca. 3,2) = Umfang = benötigte Breite des Maschendrahtstückes. 50 cm x 3,2 = 160 cm + 10 cm Draht-Überlappung,
  • verzinkten Draht zum Verbinden der Enden des Drahtgeflechtzylinders.

Vorgehensweise:

  • Von dieser Rolle schneiden wir ein Stück in einer Länge von 170 cm ab.
  • Das Drahtgeflechtstück wird zu einem Hohlzylinder mit ca. 50 cm Durchmesser gerollt. Danach  werden die überlappten Enden mit verzinktem Draht verbunden.
  • Wir benötigen ein 70 cm tiefes und über 50 cm breites Loch in die Erde, so dass der 100 cm hohe Zylinder noch 50 cm aus dem Boden herausragt.
  • Wir schaufeln das Loch wieder zu. Da wir nicht den gesamten Aushub von der Wiese wieder entfernen können, fehlt uns etwas Erde, und wir fügen zusätzlich als oberste Schicht etwas alten Kompost bei.
  • In den Zylinder pflanzen wir etwas erhöht (auf einen kleinen Hügel) den Jungbaum. Dann gut angießen.
  • Der Baum wird sich mit der Zeit noch etwas setzen und einige Zentimeter tiefer in das aufgefüllte Pflanzloch sinken. Wichtig ist, dass die Veredlungsstelle immer über der Erde liegt.
  • Bei Bedarf können wir um den Stamm noch ein höher reichendes Drahtgeflecht zum Schutz gegen Wildverbiss größerer Tiere (Rehe) anbringen.

Die sichere Variante

Wer den Wurzeln noch bessere Wuchsbedingungen verschaffen möchte, kann sich auch für ein größeres Pflanzloch und einen breiteren Drahtzylinder entscheiden:

Pflanzlöcher 70 cm tief, 100 cm Durchmesser, Drahtgeflecht 80 cm über dem Boden endend. Bei der Pflanzung mehrerer Bäume ist das ohne einen kleinen Bagger oder eine an einem Traktor befestigte Grabschraube wohl kaum zu schaffen.

Nach spätestens 15 Jahren sollten die Wurzeln des Obstbaumes so kräftig geworden sein, dass sie auch Wühlmausverbiss überstehen. Es kann davon ausgegangen werden, dass zum Ende dieser Zeit das verzinkte Drahtgeflecht im Boden beginnt, sich aufzulösen. Je weniger alkalisch das Milieu im Bereich der Baumscheibe ist, desto schneller wird auch der Korrisionsprozess einsetzen. Aber auch, wenn sich die Drähte nicht auflösen, würde eine kräftige Wurzel das Metallgeflecht überwallen.

Zeichnung als PDF herunterladen

Fotodokumentation

Video: Pflanzung in einen Drahtzylinder durch die Fa. Gartenbau Plückebaum, Remscheid

 

 

 

 

Pflanzbeispiel eines wurzelnackten Jungbaums in Rollkies,
Körnung 8 bis 16mm

Vorgehensweise:

  • Ausheben eines Pflanzlochs von 35 bis 45 cm Durchmesser und ca. 30 cm Tiefe,
  • napfförmiges Auskleiden des unteren Bereiches des Pflanzlochs mit Mutterboden,
  • Einsetzen des wurzelnackten Jungbaums, wobei die nach unten führenden Wurzeln in den Mutterboden gedrückt werden. Dabei muss der Baum festgehalten werden.
  • Den Boden des Mutterbodennapfes mit Rollkies, Körnung 8 bis 16 mm auffüllen,
  • schrittweises weiteres Auskleiden der Pflanzlochwand nach oben mit 10 bis 15 cm dicker Mutterbodenwand, so dass die Wurzelenden in der Mutterbodenwand sitzen.
  • Schrittweises Auffüllen des Hohlraums in der Mitte bis unter die Verzweigung der Wurzeln mit Rollkies. Sicherstellen, dass der Hohlraum unmittelbar unter der Wurzelverzweigung aufgefüllt ist, notfalls Rollkies hineinstopfen.
  • Auskleiden der Pflanzlochwand mit Mutterboden bis zur Oberfläche,
  • Auffüllen der hohlen Mitte ringsum den Stamm mit Rollkies. Es soll in der Pflanzlochmitte ein Rollkies gefüllter Zylinder von ca. 15cm Durchmesser und 20cm Tiefe entstehen, in den die Wühlmäuse nicht eindringen.
  • Sollte ein Pfahl notwendig sein, muss dieser vorher nach dem Ausheben des Pflanzlochs eingeschlagen werden und in das Pflanzschema einbezogen werden.

Pflanzbeispiel eines Jungbaums mit Wurzelballen in Rollkies, Körnung 8 bis 32mm

Vorgehensweise:

  • Ausheben eines Pflanzlochs von ca. 65 cm Durchmesser und ca. 45 cm Tiefe, wenn der Wurzelballen einen Durchmesser von 35 cm und eine Höhe von 25 bis 30 cm hat. Das Pflanzloch muss an die Größe des Wurzelballens angepasst werden. Dabei muss darauf geachtet werden, dass um den Wurzelballen herum eine Schale mit Rollkies von mindestens 15 cm passt.
  • Muldenförmiges Auffüllen des Pflanzloches mit Rollkies, Körnung 8 bis 32 mm,
  • Einsetzen des Jungbaums mit dem Wurzelballen in die Rollkiesmulde. Dabei muss der Baum möglicherweise festgehalten werden.
  • Auffüllen der Zwischenräume neben dem Wurzelballen mit Rollkies. Der Rollkies soll kegelförmig zum Stamm hin aufgefüllt werden.
  • Auffüllen des Pflanzloches mit Mutterboden bis zur Oberfläche,
  • Sollte ein Pfahl notwendig sein, muss dieser nach dem Einsetzen des Baums neben dem Wurzelballen eingeschlagen werden und in das Pflanzschema einbezogen werden.

Hartmut Brückner